Franz-Beckenbauer-Dokus gucke ich immer, weil dieser großartige Fussballer einfach hochinteressant in seinem Anderssein als Spieler, und auch noch als Trainer, gewesen ist. Als Fussballfunktionär war er dann leider durchschnittlich korrupt, das braucht man auch zu seinem Tod nicht verschweigen, denn es betrifft die Lichtgestalt selbst gar nicht mehr wirklich. So wie der alternde Muhammad Ali noch weiterboxen musste, bis man den Parkinson schon im Kurzinterview deutlich erkennen konnte und sich selbst mit seltsamen Beratern und Gurus umgeben hat, wie Maradona in Italien von der Mafia gekapert wurde und an Koks verloren ging, so hat es auch Kaiser Franz nicht mit unbeschädigtem Heiligenschein durch die Verlängerung geschafft.
Ich habe rein zufällig vor einer Woche erst diese aufwändige Kroos-Doku gesehen - und als ich heute davon hörte, dass Beckenbauer tot ist, habe ich sofort an zwei andere Giganten des Fussballs gedacht, nämlich genau an Toni Kroos und Zinedine Zidane. Das, was Zidane voller unverstellter Bewunderung über Kroos sagt, dass der durch seine Spielintelligenz und zugleich sein Können am und mit dem Ball dazu befähigt ist wie derzeit kein anderer, die ganze ideale Schönheit von Fussball als Mannschaftssport im Sinn ein Ensembles mit seinem Dirigenten zu verkörpern, genau das würde ich über Beckenbauer sagen. Und auch über Zidane selbst natürlich.
Allen Dreien hat man immer Arroganz bis zur Selbstverliebtheit, mangelnden Sinn für die Defensive und das eigentliche Fehlen einer Kämpferherzens nachgesagt, und bei keinem der Drei war irgendetwas jemals unrichtiger. Beckenbauer war einfach ein Spieler, für den maximale Effizenz so stark im Vordergrund stand, dass diese zu seiner eigentlichen Natur, zu seinem Grundinstinkt im Sport wurde. Wenn er den Aussenristpass erklärt und wie er darauf gekommen ist, fragen sich die Zuhörenden, warum man jemals versucht hat, kurze und mittlere Distanzen auf dem Spielfeld mit dem Innenrist zu spielen. Dabei liegt es, erklärt er dann, an einer besonderen Stellung seiner Hüftknochen, die ihn darauf gebracht hat.
Genau dasselbe mit seiner "Erfindung" des Libero: Zu Anfang seiner Karriere musste er in der Defensive spielen, weil die Mannschaft, zu der er wechselte, schon reichlich Offensive hatte. Ich weiss nicht, ob das schon sein Wechsel zu den Bayern war. Er erzählt, dass er aber keine Lust hatte, immer hinten zu bleiben und deshalb seinem Kollegen sagte, er soll hinten dichtmachen, damit er nach vorn gehen kann. "Der Rest" war dann natürlich seine überragende Übersicht, sein Vermögen am Ball, seine unnachahmliche Leichtigkeit und sein unbedingter Wille, es bis ganz nach vorn und oben zu schaffen. Beckenbauer hatte niemals Selbstzweifel oder liess sich welche einreden, was den Fussball angeht. Das verbindet ihn total mit Kroos und Zidane. Das würde ich als eine entscheidende Stärke gegenüber Johan Cruyff ansehen, weswegen ich ihn höher einstufe als diesen. Für den deutschen Fussball ist er mindestens so wichtig wie Maradona für den argentinischen oder Pele für Brasilien, für Bayern der einzige, ohne den ganz sicher aus Bayern München nicht das geworden wäre, was daraus geworden ist.
Bei so einem stellt sich das Private hinten an, und das soll auch so sein. Egal, ob du dir eine Maradona-Doku oder eine von Beckenbauer anguckst, letztlich sind die Frauen, die Autos, die Wohnortwechsel oder die Steuerfluchten nicht das, was du allzu lange sehen willst. Du gierst nach noch zwei oder drei von den tollen Szenen, nach Entscheidungen, die er durch seine Präsenz und den Mythos herbeigeführt hat, oder nach Dingen wie dem schon von
@shanghai erwähnten Bierglastreffer im aktuellen Sportstudio. Ich finde, 78 Jahre ist jetzt nicht so richtig viel, Demenz soll vorher auch schon im Spiel gewesen sein. Das tut mir leid, das ist tragisch. So einer sollte einfach 98 werden. Es ist besser, wenn man weiss, dass er noch irgendwo sitzt und von einem der perfekten Spielzüge träumt, die er der Welt schenkte.