Zebrastreifenblog

  • Ersteller Ersteller Kees Jaratz
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Seit Freitag lässt sich die erste Ausstellung des MSV-Museums besuchen. Das MSV-Museum ist im LVR-Niederrheinmuseum zu Gast. Das lässt sich auch als Sympathiebekundung für den MSV im Umland verstehen. In Duisburg wird es ohnehin in mittlerer Zukunft in eigenen Räumen eröffnen. So hoffen wir mit den Machern beim MSV-Museum. Zur Ausstellung will ich gar nicht viel schreiben. Wer hier mitliest, wird auch ohne meine Empfehlung mit hoher Wahrscheinlichkeit reinschauen.

Ein paar Impressionen habe ich aber von der Eröffnungsvernissage für euch. Unter dem Titel „Du bist es schon immer gewesen“ habe ich dabei auch über das Leben als Anhänger des MSV gesprochen. Das war mir Freude und Ehre zugleich, zumal uns Anwesenden ein besonders Fanerlebnis gegönnt war. Ich erinnerte an ein Spiel vom MSV gegen den VfL Bochum im Jahr 1974. Die Zebras gewannen 3:1 nach 0:1-Rückstand. Den Ausgleich schoss Michael Bella, der ebenfalls die Vernissage mit seiner Frau Edeltraud besuchte. So konnten wir 48 Jahre nach dem Spiel sein Ausgleichstor noch einmal bejubeln. Ich sagte: „Tor für den MSV in der 26. Minute durch Michael Bella. Neuer Spielstand 1:1.“ Im Geiste der 70er klatschten wir begeistert, aber keineswegs durch die enthusiastische Stimme eines Stadionsprechers angetrieben. Denn diesen Spielstand präsentierte uns mit freundlicher Unterstützung unsere Erinnerungen an Günter Stork.

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Der MSV hat in den sozialen Medien ebenfalls einen kurzen Clip mit Impressionen vom Abend geteilt.


Da werden Erinnerungen wach!
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Das #MSVMuseum zeigt euch unseren Spielverein in einer Sonderausstellung nochmal auf ganze andere Art & Weise. Alles, was ihr wissen müsst …

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— MSV Duisburg (@MSVDuisburg) November 26, 2022

Für mich stärkt ein Engagenment wie das der MSV-Museumsmacher meine Verbindung mit dem MSV Duisburg. Diese Verbindung verwandelte sich nach der Verpflichtung von Gino Lettieri zunächst in eine Zweckbezieung. Ich schaffte es damals nicht eimal mehr, mein für die Zeit geplantes Buch über mein Leben mit dem MSV, die MSV Fußballfibel, zu schreiben. Das änderte sich erst einmal nur dadurch, dass der MSV in der Öffentlichkeit nicht nur durch den Fußball alleine sichtbar war. Die Anhänger der Zebras gaben mir die Grundlage für meine allmählich sich wieder stärkende emotionale Verbindung mit den Zebras. Ich zitiere aus dem Ende meines Vortrags:


Und die Grundlage dafür waren tatsächlich die Anhänger des MSV mit ihrem Interesse über den Fußball hinaus. Ich suchte all die Stimmen, die trotz dieser Verpflichtung mit ihrem Engangement rund um den MSV weitermachten. Viele Fanclubs des MSV engagieren sich mit großer Energie für soziale Belange in Duisburg oder in dem Ort, wo sie zu Hause. Die Museumsleute machten weiter. Das führte zurück zu dem, was den MSV bei allen tagesaktuellen Entwickungen ausmacht, was Bewahrenswert ist. Der Fußball ist nur ein Anlass. Wegen des Fußballs trifft man sich, lernt sich näher kennen, vertraut aneinander und kann gemeinsam mehr bewegen als einer alleine es könnte.

Das erinnert ein weiteres Mal an einen Widerspruch, in dem wir alle mit diesem Fußball in der Gegenwart leben. Ohne diese Entwicklung hin zu der besonderen Bedeutung besäße alles Engagement weniger Kraft. Mit dieser Ausstellung wird ja nicht nur der Verein in seinem kulturellen Wert gezeigt. Mit dieser Aussstellung wird auch das Leben und das Interesse vieler Menschen gewürdigt. Ihre Identität wird wahrgenommen. Mich begeistert diese gesellschaftliche Kraft, die in dem Engagement der MSV-Anhänger für das MSV-Museum steckt. Diese Kraft ist bei aller Unterschiedlichkeit seiner Anhänger auch in vielen anderen Aktionen abseits des Fußball immer wieder spürbar. In dem Sinne. Engagement in Zebrastreifen weiß und blau, ein jeder weiß genau, das ist der M S V.

Ralf Koss, Vortrag bei der Eröffnungsvernissage Ausstellung MSV-Museum, 24. 11. 2022​

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Manchmal geben mir Interviews wie das in der Süddeutschen Zeiung am 1. Dezember mit dem Standardtrainer des DFB, Mads Buttgereit, Anlass zur Kulturbetrachtung. Diese Betrachtung heute ist zugegebenermaßen sehr spekulativ. Dennoch lässt sich durch den Zwang zur zugepitzten Antwort im Interview eine Denkweise erkennen, mit der sich auf die Kultur rückschließen lässt.

Vordergründung macht sich durch das Interview die Verwissenschaftlichung des Fußballs und seine veränderten Grundlagen der Bewertung durch gesammelte Daten bemerkbar. Allein die besondere Aufmerksamkeit für diesen spezialisierten Trainer über zwei Drittel der Seite illustriert die Gegenwartskultur im Fußball mit seiner immer differenzierten arbeitsteiligen Trainingsstruktur aufgrund von Statistiken. Einerseits führt das zu immer besseren Leistungen in den jeweiligen Teilaspekten des Fußballs, andererseits müssen solche Veränderungen Nebenwirkungen mit sich bringen. Das ist immer so in Systemen. Nebenwirkungen sind allerdings schwieriger zu fassen als das angestrebte Ziel der Veränderung.

Und nun folgt mir zur Spekulation mit folgender Antwort, die mich an eine Wesensbeschreibung des Kölners durch Jürgen Becker erinnerte. Sinngemäß hat der mal über die Kölner gesagt, sie seien tief in ihrem Herzen Perfektionisten, man würde es ihnen nur nicht anmerken. Alles in der Stadt sei in gewisser Weise unfertig, aber der Kölner wisse immer, wie es im besten Fall auszusehen hätte. Mads Buttgereit geht es beim Blick auf die Standards genauso:

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Natürlich reduziert diese Antwort den komplexen Sinnzusammenhang eines Trainings. Auf zur Spekulation: Für mich lauert im „Eigentlich passt der Plan, aber der Ball kommt nicht an“ eine unerwartete Nebenwirkung von spezialisiertem Training und Datenabgleich mit der Wirklichkeit. Neben dem einzig zählbaren Erfolg des Siegs in einem einzigen Spiel gibt es in dieser Fußballgegenwart weitere kleinere Erfolge, deren Beiträge zum angestrebten Erfolg Tor statistisch begründet ist, also emotional nicht erfahrbar sind.

Das wirft für mich die Frage auf, ob dieser Blick auf die Stastik und auf den Plan, die Intuition der Spieler für den Moment auf dem Platz einschränkt? Hier macht sich auch das ewige menschliche Ringen um den Weg zwischen Grenzen und Freiheit bemerkbar. Das führt tief in die Philosophie. Ohne Freiheit sind Zufälle des Lebens nicht zu bewältigen. Zugleich führt das aber auch zum Wesen des Fußballs. Ohne Zufall lässt sich der Fußball nicht denken für mich. Ohne Zufall verliert er seine Attraktivität.

Wer den Erfolg wie Mads Buttgereit definiert, lenkt zwangsläufig den Blick weg vom Torerfolg auf den Prozess, wie sich Spieler bei einem Eckstoß verhalten. Der Zufall gehört dann nicht zum Fußball, sondern stört in solchen Plänen. Die Sprechweise deutet das an. Zufriedenheit stellt sich auch dann ein, wenn kein Tor fällt. Verändern sich deshalb auch Einstellungen der Spieler? Verändert sich deren Erfolgsorientierung? Verändert sich deren Flexibiltät mit dem Zufall im Spiel umzugehen? Kultur entwickelt sich immer weiter. Nichts bleibt, wie es war.

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In diesem Räumen habe ich schon oft von Bedeutung und Wert der Duisburger Jungendzentren geschrieben. Ich bin Partei dieser Jugendzentren, nicht nur weil ich in „meinem“ Jugendzentrum, der „Zitrone“ in Obermarxloh, eigene Kulturprojekte als wichtig für Kinder und Jugendliche erlebte. Ich habe die tägliche Arbeit der Mitarbeiter dort kennengelernt und deren Engagement gesehen. Ich bin Kindern begegnet, für die die „Zitrone“ ein beschützter Raum ist, wo sie wertgeschätzt werden, wo sie eine Stabilität der Begegnung vorfinden, die ihnen in ihren eigenen Familien nicht immer gegeben ist. Seit Jahren bin ich deshalb Vorsitzender vom Förderverein des Jugendzentrums, dem Lemonhaus e.V. – hier bei Facebook. Wie gesagt, ich bin in dem Fall Partei. Was nichts daran ändert, dass wahre Worte wahr bleiben.

Ihr könnt mir das glauben oder euch eine Dokumentation über ein Projekt ansehen, das in den Räumen des Jungendzentrums stattfindet. HeRoes: Eine Frage der Ehre ist heute Abend um 22.15 Uhr im WDR zu sehen. In der ARD-Mediathek ist die Dokumentation abrufbar. Die Dokumentation entstand nicht als schnell produzierte Reportage, sondern über einen langen Zeitraum wurden die HeRoes begleitet. Auch über das HeRoes-Projekt habe ich hier schon vor vielen Jahren geschrieben: „Bei den HEROES machen sich per Schneeballprinzip Jugendliche und junge Männer aus sogenannten „Ehrkulturen“ mit aufklärerischem Denken vertraut. Die Religion ist dabei nur Teil all dessen, was im Alltag der Teilnehmer wirksam wird.“ Die Duisburger HeRoes gehörten in vielerlei Hinsicht zu den Vorreitern dieser besonderen Form, humanistisches Denken in Gesellschaften wirksam zu machen. Inzwischen sind auch junge Frauen in einer Gruppe dazu gekommen.

Man muss es immer wieder sagen, wie bedeutsam, aber auch erfolgreich die Jugendsozialarbeit in Duisburg ist. Dafür ist das HeRoes-Projekt ein vorbildhaftes Beispiel.

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Vor 14 Tagen wurde die erste Ausstellung des MSV-Museums als Sonderausstellung im LVR-Niederrheinmuseum eröffnet. Meine Impressionen von dem Tag geben einen Vorgeschmack. Der Ausflug nach Wesel lohnt sich. Ihr solltet sogar mehrmals fahren. Heute Abend etwa findet um 19 Uhr schon die erste Talk-Runde statt. Die Nationalmannschaft kennen Bernard Dietz, Michael Bella und Mareike Kämper aus eigener Erfahrung. Sie können Anekdoten über Anekdoten erzählen und haben sicher auch eine Meinung zu den Nationalmannschaften der Gegenwart.

Eines aber wurde von den Museumsverantwortlichen bislang bei der Programmankündigung kaum erwähnt. Ein besonderes Tages-Ausstellungsstück wird heute Abend auch zu sehen sein. Ennatz könnte damit eine Szene seines Lebens nachstellen. Heute müsste er allerdings Stoffhandschuhe anziehen, wenn er den Europameisterpokal von 1980 noch einmal in die Höhe halten will. Vom DFB-Museum in Dortmund hat das MSV-Museum den Pokal für die Europameisterschaft 1980 für diesen Abend ausgeliehen. Ihr habt also Gelegenheit von der Aura eines früheren Erfolgs berührt zu werden, wo der der Nationalmannschaftsgegenwart der Männer ja überschaubar geworden ist.

Im Museums-Newsletter haben die Verantwortlichen die Infos für den Abend auch zusammengestellt. Ich zitiere der Einfachheit halber.

„Leben. Haupttribüne – Der Museums-Talk“ heißt es am Donnerstag, 8. Dezember 2022 um 19:00 Uhr in der großartigen Ausstellung des MSV Museums im LVR Niederrheinmuseum in Wesel.
MSV-Stadionsprecher Stefan Leiwen begrüßt dann Bernard Dietz, Michael Bella und Meike Kämper zur Talkrunde. Das lang geplante, aber doch sehr aktuelle Thema: Die Nationalmannschaft damals und heute.
Der Mythos sagt: Erst durch die Fußballnationalmannschaft ist die Bundesrepublik Deutschland zum Leben erweckt worden. Sechs Weltmeisterschaften später bewegt Fußball in schwarz-weiß immer noch die Nation. Namen, Orte und Teamgeist wie Herberger, Beckenbauer und Neid oder Strandhotel Belvedere, Sportschule Malente und Campus Frankfurt prägten ihre Zeit. Folklore oder Nationalstolz, welche Bedeutung hat die Mannschaft?
Darüber diskutiert die illustre Runde – Anpfiff am Donnerstag im LVR Niederrheinmuseum Wesel (An der Zitadelle 14-20, 46483 Wesel) ist um 19 Uhr. Bitte beachtet: Für alle Veranstaltungen steht nur ein begrenztes Ticket-Kontingent zur Verfügung. Eintrittskarten könnt ihr vorbestellen unter rkg.shopkasse.wesel@rheinlandkultur.de oder Telefon +49 (0) 281 33996-320. Eintritt: 5,00 Euro / ermäßigt* 3,50 Euro (* = ermäßigt für Menschen mit Behinderung, Studierende, Auszubildende).​

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Gestern Abend fand anlässlich der Ausstellung des MSV-Museums im LVR-Niederrheinmuseum die erste Veranstaltung des Rahmenprogramms statt. Stadionsprecher Stefan Leiwen sprach mit den MSV-Legenden Michael Bella und Bernard Dietz über deren Erfahrungen in und mit der Nationalmannschaft. Der Fußball der 1960er bis 1980er Jahre kam dabei auch durch die jeweiligen Karrieren zu Sprache. Es ist jedes Mal eine Freude den beiden Fußballern zuzuhören. Ihre Erfahrungen waren so vielfältig, dass jedes Gespräch mit ihnen neue Einsichten und Erinnerungen zu Tage fördert.

Mir fehlt die Zeit all das im Detail hier nachzuerzählen. Lasst mich nur anmerken, mit den Erinnerungen solcher bemerkenswerter Spieler öffnet sich nicht nur der Blick auf die persönliche Erfahrung. Mit jeder einzelnen Erinnerung vervollständigt sich das Bild der Vergangenheit. Diese Erinnerungen tragen zum Verständnis der Fußballhistorie und der allgemeinen Geschichte Deutschlands und der Kulturgeschichte bei.

Einige Bilder vom gestrigen Abend geben einen Eindruck. Der Europapokal ist übrigens nicht der Originalpokal, sondern eine vom DFB eigens angefertigte Replik, die nicht minder geschützt werden musste. Den Unterschied macht der Transport. Den Original-Pokal von A nach B zu bewegen, ist derart aufwändig, dass sich das kaum eine Institution leisten kann. Schön, dass man beim DFB auch mal ganz praktisch denkt.

Eine Bemerkung von Michael Bella möchte ich euch zum Schluss nicht vorenthalten. Aus dem Publikum wurde er auf sein besonders laufintensives Aufwärmprogramm vor den Spielen angesprochen. Er bestätigte diese Erinnerung des MSV-Fans. Er habe viele Steigerungsläufe gemacht und manchmal sei ihm gesagt worden, er würde vor den Spielen ja mehr laufen als manch anderer während des ganzen Spiels. Lakonisch fügte er an: „Deshalb hatten wir ja auch keine Muskelverletzung, wenn dann ein Nasenbeinbruch…“ Wettkampfhärte war offensichtlich damals nicht so das Problem.













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Heute vor vor 225 Jahren wurde Heinrich Heine in Düsseldorf als Harry Heine geboren. Wenn es zu seiner Zeit schon den Sport Fußball gegeben hätte, er hätte so ein alltagsnahes „modernes“ Thema in seinen Gedichten aufgegriffen. In seinem gesamten Werk, sei es die politische Dichtung, die Feuilletons oder Reiseberichte, gehörte das alltägliche Zeitgeschehen für ihn zum selbstverständlichen Gegenstand seines Interesses.

Dieser besondere Geburtstag ist eine gute Gelegenheit mit einer Parodie von Das Fräulein stand am Meere nicht nur Heinrich Heine zu gedenken, sondern auch dazu anzuregen, mal wieder etwas von ihm zu lesen.


Kleiner Stürmertrost

Ein Stürmer stand im Strafraum.
Ihm wurde angst und bang.
Der Ball im Tor ein Traum.
Ihr Spiel hieß hoch und lang.

Mein Freund! Bleib ruhig und munter.
Erarbeite dein Glück.
Der Ball kommt einmal runter.
und titscht zu dir zurück.

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Ihr seht hier mein Exemplar der MSV Duisburg Fußballfibel, das mir in diesem Jahr gute Dienste auf vielen Lesungen leistete. All diese Lesungen wurden zu fröhlichen Feiern unserer Erfahrungen mit den Zebras. In den Räumen zeigte sich die besondere Wahrheit unserer Leben: Wir können unsere Geschichte nicht ohne die der Zebras erzählen.




Diese Lesungen waren anders als ich es von denen mit anderen Büchern und Inhalten gewohnt war. Sie wurden mehr als sonst zu einer gemeinsamen Sache. Denn was wir in den Stadien mit diesen Zebras erlebten, hat uns verbunden und verbindet uns weiter. Deshalb standen mit dem, was ich las, immer auch Varianten dieser Erfahrungen seit den 1970er Jahren im Raum. Das glich in gewisser Weise unseren Besuchen im Stadion. Auch dort wird das Fußballspiel im Wechsel mit dem, was von unterschiedlichen Menschen auf den Rängen geschieht, zu einem gemeinsamen Geschehen. Zu dem was gelingt, tragen wir alle bei mit unserer Energie und der Bereitschaft, etwas Gutes zu erleben. Ohne Humor geht das bei einem Leben mit diesem MSV natürlich nicht.

Es entstand übrigens keine ausschließende Atmosphäre während der Veranstaltungen. Bei einigen Lesungen waren auch Fans anderer Vereine, die sich durch die Erfahrungen mit den Zebras an die eigene Geschichte mit ihrem jeweiligen Verein erinnert fühlten. Es gibt in diesem Fußball das Verbindende über die Vereinsgrenzen hinweg. Das sind die Emotionen, die wir teilen; das Erleben von vergleichbaren bedeutsamen Ereignissen.

Im Grunde ließe sich daraus eine – soll ich sagen? – Lebensweisheit formulieren. Wir sollten uns darin üben, im Ernst des Spieltags das Zufällige unseres Lebens zu fühlen, ohne diesen Ernst aufzugeben. Damit erhalten wir eine Offenheit für die Begegnung mit dem Fremden und erleben die Kraft des Spielerischen in diesem Ernst.

Im nächsten Jahr geht’s weiter. Mit Lesungen und mit dem Meidericher Spielverein. Endlich wieder richtiger Fußball in Saarbrücken. Und by the way: Wem noch ein Weihnachtsgeschenk fehlt, der Kees Jaratz eures Vertrauens meint: So eine Lebensgeschichte mit dem MSV seit den 70ern bietet sich an. Euer Buchhändler vor Ort hilft euch gerne weiter.

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Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Dankenswerter Weise hat er sie mir zur Veröffentlichung geschickt. In den nächsten Tagen könnt ihr sie in mehreren Folgen lesen.

Bitte schön!


Bevor es losgeht
Silvio, der italienische Wirt des „Caldo dal Forno“ kündigt an, alle Spiele der italienischen Mannschaft in seinem Lokal zu zeigen. Stefan glaubt, dass Deutschland schon im Achtelfinale an Argentinien scheitern wird. Georg meint, mit Kolumbien sei zu rechnen.

Silvio, Stefan und Georg sind Fußballfreaks, die immer „alles“ über Fußball wussten, stupend informierte und extrem leidenschaftliche Fans. Jetzt kokettieren sie damit, dass sie völlig unbeleckt sind, was die WM in Katar angeht und zum Beweis dafür schwätzen sie dummes Zeugs. Sie wissen ganz genau, dass Italien und Kolumbien gar nicht dabei sind. Und dass vom Turniermodus her Deutschland gar nicht im Achtelfinale auf Messi und die Gauchos treffen kann.

Wenn kleine Kinder wollen, dass man sie nicht sieht, schließen sie die Augen. Wie sollen mich die anderen sehen, wenn ich selbst nichts sehe! Kleinen Kindern nimmt man das ab. Erwachsenen Männern nicht. Sie möchten sich auf eine witzige Weise unwissend und desinteressiert geben, aber jeder merkt, dass sie sich künstlich dumm stellen. Und uns glauben machen wollen, das sei Protest, Boykott, Widerstand. Wogegen? Gegen den Austragungsort Katar, der seit zwölf Jahren feststeht und den man seit zwölf Jahren hätte verhindern können.

Prognosen
Dass die deutsche Fußballnationalmannschaft im Jahr 2006 Weltmeister werden würde, war zuvor statistisch exakt ermittelt worden. Man multiplizierte ’54 (1. WM-Titel) mit ’74 (2. WM-Titel) und subtrahierte 1990 (3. WM-Titel) und siehe da, „2006“ kam zum Vorschein. Ein gutes Omen! Leider ging die Rechnung mit den drei Bekannten nicht auf. Die Kaffeesatzleser störte das nicht. Sie erfanden flugs ein neues Kalkül: 1990 + 1974 – 1954 = 2010. Also wird man es in Südafrika richten! Das Kap der Guten Hoffnung stirbt zuletzt, oder so ähnlich. Es wurde wieder nichts. Dann hatte man die Nase voll und schwieg im Hinblick auf das Turnier 2014 in Brasilien. Und siehe da, es hat geholfen: Deutschland wurde Champion! Damit war man „automatisch“ Favorit für 2018. Aber das Ende kam schon nach dem dritten Spiel. Für 2022 haben sich die Erwartungen verändert. Erstmals wünschen viele der deutschen Mannschaft ein frühes Ausscheiden aus der „WM der Schande“. Erstmals erkennt man in der deutschen Nationalmannschaft eine Gruppe abgehobener Dumpfbacken, die nicht „Deutschland und seine Werte“ repräsentiert. Befreit von diesem Ballast – „Ist der Ruf erst ruiniert, spielt es sich ganz ungeniert“ -, kann es die deutsche Mannschaft sehr weit bringen. – Aber halt! Schon wieder eine Prognose! Das muss ja in die Hose gehen.

5. 11.
„Wir fahren nach Katar, um den Titel zu holen“, Oliver Bierhoff, DFB. Der Mann ist also bereits beim siebten Spiel, obwohl man noch nicht das erste gespielt hat. Sepp Herberger wäre das nicht passiert: „Das nächste Spiel ist immer das schwerste.“

Kulturelle Ödnis
In den letzten Jahrzehnten waren Fußball-Weltmeisterschaften immer auch ein Anlass, um das Fußballspiel künstlerisch zu reflektieren und kulturell zu überhöhen. Erzähler und Lyriker machten sich ebenso ans Werk wie Maler und Bildhauer. Der Fußball wurde besungen, getanzt und sonstwie performt. Ein wilder Ritt durch Jahrhunderte und Epochen, vom Steißball der Mayas, über den Calcio fiorentino bis zum Hornussen in der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Großes Theater! Nichts von alledem aus Anlass der 22. Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Nicht einmal eine Sonderbriefmarke der Post. Nur Werte-Geschwurbel und Boykott-Gelaber.

Naming
„Campeonato Mondial De Football“
Offizielles Plakat zur 1. Fußball-WM 1930 in Uruguay

„Campionate mondiale di calcio“
Offizielles Plakat zur 2. Fußball-WM 1934 in Italien

„Copa Del Mundo De Futbol“
Offizielles Plakat zur 12. Fußball-WM 1982 in Spanien

Mit der 14. Fußball-WM fing es an:
„FIFA World Cup 1990“

Aber erst zwölf Jahre später wurde es notorisch: „FIFA World Cup 2002“ / „FIFA World Cup 2006“ / „FIFA World Cup 2010“ / „FIFA World Cup 2014“ / „FIFA World Cup 2018“ -„FIFA World Cup 2022“.

Ist das diesjährige Konzert der Rolling Stones in Deutschland so angekündigt worden:
„KKP SCORPIO / CTS EVENTIM: The Rolling Stones 2022“?

Nein, so nicht. Der Veranstalter hält sich im Kleingedruckten. Die Großbuchstaben gehören dem Angebot, nicht dem Anbieter. Nicht so bei der FIFA.
Sie hält sich für wichtiger als der Fußball.

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Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Dankenswerter Weise hat er sie mir zur Veröffentlichung geschickt. In mehreren Folgen könnt ihr sie nun lesen.

Bitte schön!

22. 11.

Nach dem Sieg der Saudis über den zweifachen Weltmeister Argentinien am Dienstag, erklärt der König von Saudi-Arabien den Mittwoch zum Feiertag. Hätten die Argentinier eine One-Love-Binde getragen, wäre auch noch der Donnerstag zum Festtag ausgerufen worden.

23. 11.22

Deutschland verliert das Auftaktspiel gegen Japan. Drei Punkte waren eingeplant, ein Punkt sollte es mindestens sein. Null Punkte sind es geworden. Die Selbsteinschätzung der Deutschen, „Titelkandidat“, droht sich als Selbsttäuschung zu erweisen. „Noch ist nichts passiert“, sagt der Trainer. Gelassenheit oder Arroganz? Zu befürchten ist, dass er beides nicht kann.

26:12 = 1:2

Das ist Fußball! Wer eins und eins zusammenzählen kann, kommt nicht weit. Das Spiel ist viel zu komplex für Logik und Mathematik. Gegen Japan schoss die deutsche Elf 26mal aufs japanische, Japan 12mal aufs deutsche Tor. Herausgekommen ist ein Zweizueins für Japan. „Manchmal gewinnt im Fußball sogar der Bessere“, hat Prinz Poldi gesagt. Manchmal, also eher selten. Wehe, es wäre anders! Wir würden nicht mehr hingehen.

Vieldeutig

Auf dem Mannschaftsfoto unmittelbar vor dem Anpfiff halten sich alle elf Spieler die Hand vor den Mund. Sie dürfen die einfältige One-Love-Binde, eine grafisch und farblich verwässerte Form des LGBTQI-Regenbogens, nicht tragen. Und nun verbietet man ihnen auch noch den Mund? Oder: Den Mund verbieten wir uns schon selbst! Oder: Den Mund halten, wenn’s drauf ankommt? Oder: Ich kotz gleich! Man weiß nicht, was das bedeuten soll. Eine schlechte Aufteilung ist das Ganze in jedem Fall. Ein 4-4-3 wäre besser gewesen: Vier Spieler halten sich den Mund zu, vier die Augen und drei die Ohren. Allein aus Respekt vor dem Gegner Japan!

Gratismut

Peinlichkeiten wetteifern um Sicht- und Hörbarkeit. Auf der Tribüne sitzt die Bundesinnenministerin mit der „verbotenen Binde“ am linken Oberarm. Eine Valentiniade vor den Augen der Welt: „Mögen hätten wir schon gewollt, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“ Auf einem anderen Bild zeigt Infantino, der tags zuvor erklärt hatte, er sei außer FIFA-Boss auch schwul, Frau, Araber und indischer Wanderarbeiter, mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Binde der Ministerin und lacht: „Seht her, das blonde Dummchen!“

Bekennerschreiben

Man bekennt sich seit 40 Jahren zum Klimaschutz, steigert aber in diesem Zeitraum den CO-2-Ausstoß um 50 Prozent. Bekenntnisse sind wohlfeil, wenn ihnen keine Taten folgen.

Auch der Fußball bekennt sich gern und folgenlos. Jetzt hat man die Kapitänsbinde als Bekenntnisorgan entdeckt: „Regenbogenbinde“, „One-Love-Binde“. Nette Versuche, sagt die FIFA – und macht es gründlich. Von der Vorrunde bis zum Endspiel stellt der Weltfußballverband den Mannschaftsführern aller Vereine folgende Motto-Binden zur Verfügung:

„No Discrimination“

„Save The Planet“

„Share The Meal“

„Protect Children“

„Education For All“

Moralisch einwandfreie Forderungen! Dagegen ist das „One-Love-Herzchen“ Kita-Kitsch! Doch die Spieler glauben ans Herzchen. Den guten Parolen ihres eigenen Verbandes trauen sie nicht. Die „One-Love-Binde“ ist also ein Misstrauensvotum von sieben mächtigen europäischen Fußballverbänden gegen den korrupten und autokratischen Weltfußballverband. Das macht sie interessant und wichtig. Wenn jetzt noch der Austritt der sieben Landesverbände aus der FIFA erfolgen würde, wäre der erste Schritt zu einem neuen Weltfußballverband gemacht. Aber leider bekennt man sich lieber laut und gestenreich als den Worten auch Taten folgen zu lassen.

Ausverkauft

Glaubt man den Veranstaltern, sind die acht großen Stadien dauernd „ausverkauft“. Aber der Fernsehzuschauer sieht immer wieder viele leere Plätze. Manchmal sind es so viele, dass die Kameras nur selten auf die Tribünen gelenkt werden. Sollten viele Karteninhaber gar nicht erschienen sein? Unter Katarern durchaus üblich, wie man hört. Vielleicht war Wichtigeres dazwischengekommen, ein Kamelrennen zum Beispiel? Oder hat „ausverkauft“ den Sinn von „vollbeschäftigt“ angenommen? In einem Land herrscht „Vollbeschäftigung“, wenn die Arbeitslosenquote nicht höher als drei Prozent ist. Also dürfen im ausverkauften Stadion ruhig drei Prozent der Plätze leer bleiben? Gilt dann ein bis auf den letzten Platz besetztes Stadion als „überfüllt“? – Das sind Fragen, die sich stellen, wenn sich auf dem Spielfeld nicht viel tut, weil das Gastgeberland spielt und nichts auf die Reihe kriegt, was die Einheimischen nicht weiter kümmert.

Reportersprech

„Türöffner“ und „Brustlöser“ heißt in der Reportersprache das erste Tor nach langem Anlauf, wenn es endlich in der 70. Minute fällt. Dann lassen die Treffer zwei und drei nicht mehr lange auf sich warten, „Diarröh“, wenn man im Bild bleiben wollte. Aber man bleibt nicht im Bild, weil es unappetitlich wäre.

Der Scheich tritt auf

Wann fing das an? Wann betrat zum ersten Mal der Scheich den Platz? Der Scheich, der in Katar alles beherrscht? Vor vierzig Jahren vielleicht? Fußball-WM in Spanien, 21. Juni 1982, Frankreich gegen Kuwait. Beim vierten Tor für Frankreich verließ Scheich Fahd al-Ahmad al-Dschabir al-Sabah, Präsident des kuwaitischen Fußballverbandes, seinen Tribünenplatz, stürmte aufs Spielfeld und stellte den Schiedsrichter zur Rede. Daraufhin nahm der sowjetische Referee das Tor zurück.

Bei Weltmeisterschaften wurden schon Tore gegeben, obwohl der Ball nicht hinter der Linie war; es wurden schon Tore nicht gegeben, obwohl der Ball hinter der Linie war. Aber ein gegebenes Tor, das der Schiedsrichter zurücknimmt, weil ein Spross des Herrscherhauses vom Persischen Golf danach verlangt, das hatte es noch nicht gegeben.

In Katar diktiert der Scheich nun alles. Welche Flagge man zeigen darf und wann man Bier trinken darf. Nur eines hat er trotz 12jähriger Vorbereitung und aberwitzigen Dollarmillionen nicht geschafft: eine Mannschaft auf den Platz zu schicken, die mehr als eine Schießbude ist.

Schiedsrichter mögen sich dem Scheich beugen, der Fußball beugt sich ihm nicht. – Diese dem Spiel innewohnende Widerstandskraft gilt es zu stärken und nicht zu boykottieren!

Heldenverehrung

In Argentinien verehrt man Messi wie einen Gott.

In Portugal verehrt man Ronaldo wie einen König.

In Brasilien wünscht man Neymar, dass er sich das Bein bricht. Allein für ihn hat man die Leistungskategorie „Nettoliegezeit“ eingeführt. „14 Minuten in den letzten drei Spielen“, hat einer ausgerechnet. Unbeliebter Simulant. „Schon bei die kleinste Tatsch geht er liegen“, hat ein holländischer Gegenspieler gesagt. Ein Flachmann, der mehr auf dem Rasen liegt als steht.

„Das Volk“ (vulgo: „die Leute“) weiß zu unterscheiden, wer es wert ist, in den Himmel gehoben zu werden und wer nicht.

In Deutschland gibt es keine Heldenverehrung. Mangels Angebot.

Gut so, sagt der Kopf.

Das ist armselig, sagt das Herz.

Verballhornungen

Katarsis, Reinigung durch kalten Entzug, bei 35 Grad Celsius. Die Fans sind in Not. „Es gibt kein Bier in Katar“, hat schon Paul Kuhn 1963 gesungen, „und nur vom Mullah-Mullah geht der Durst nicht weg“. Aber Budweiser darf Bandenwerbung im Stadion machen. Das ist doch Sadismus! Katarstimmung auch ohne Kater, das ist eine Katarstrophe! Im englischen Fan-Block ist eine neue Kapitäns-Binde aufgetaucht: „Beer for all!“, schwarz auf weiß. Kein Regenbogen, der daran erinnert, dass auch Schwule und Nonbinäre das Anliegen teilen könnten. Erst kommt das Saufen, noch vor dem Fressen, und dann noch lange nicht die Moral.


Folge 1

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Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Dankenswerter Weise hat er sie mir zur Veröffentlichung geschickt. In mehreren Folgen könnt ihr sie nun lesen.

Bitte schön!

1. 12. 22

Deutschland ist raus!Deutschland? Die Auswahlmannschaft eines eingetragenen Vereins namens „Deutscher Fußball-Bund e. V.“ ist ausgeschieden. Mit einem Vereinstrainer, der sich die Aura des Bundeskanzlers erschleicht, wenn er sich „Bundestrainer“ nennt. Dass er sich „Hansi“ rufen lässt, beschädigt allerdings die Aura. Andererseits reiht er sich ein in die i-Tüpfelchen-Dynastie der Rudelführer: Rudi, Klinsi, Jogi – Hansi. Dabei ist alles so einfach. 2014, in Brasilien, hatte man mehr Glück als Pech, heute, in Katar, hatte man mehr Pech als Glück. Mit Können (Willen, Einstellung, Motivation, papperlapapp) hatte das nichts zu tun. Das ist ja das Schöne am Fußball: Er dreht dem Leistungsgedanken immer wieder eine lange Nase. Da strengen sich die Athleten an wie doof – und was bringt’s, Bruda? Oft ist eine Unebenheit in der Wiese entscheidender als die 13 Kilometer, die jeder Spieler geschrubbt hat. Trainer Perelman muss das alles im Sinn gehabt haben, als er seine Truppe mit den Worten aufs Feld schickte: „Macht’s Beste draus, Männer, wird schon nichts Gutes werden!“ Das ist Fußball! Das macht ihn so liebenswert!

2. 12. 22

Deutsche Fans klagen über das Wetter in Katar. „Dauersonne“, jeden Tag. „Auch wenn deine Mannschaft am Abend verloren hat, brettert am Morgen der Lorenz vom Himmel.“ Kein Wunder, dass hier alles Wüste ist. Man sehnt ich zurück ins Hohe Venn, in den Hunsrück, ins Tecklenburger Land.

Diversity wins

Vielfalt gewinnt. Steht in Riesenlettern auf der Lufthansamaschine, mit der die deutsche Mannschaft nach Katar reiste. Und es war drin, was draufstand: eine vielfältig zusammengestellte Truppe. Spieler mit türkischem, senegalesischem, ivorischem und sierra-leonischem Hintergrund. Natürlich auch indigene Oberbayern, Westfalen und Schwaben. Vielleicht war es nicht genug Diversity, um den Pokal zu gewinnen. Vielleicht fehlte etwas Queeres. War ein Coronaleugner dabei?

Fahnenwörter

Leitparolen, unter denen die deutsche Fußballnationalmannschaft bei den letzten Weltmeisterschaften angetreten ist: BEREIT WIE NIE (2014), BEST NEVER REST“ (2018), DIVERSITY WINS (2022). – „Mehr Mittelstürmer, weniger Marketing!“, ruft das Fachmagazin den DFB-Funktionären zu. Leitparole für 2026?

Scharmützel

„Deutschland ist wie sein Fußball“, schreibt die Neue Zürcher Zeitung, „ziemlich weit unten angekommen.“ Und die Schweiz? Hat ein Spiel mehr gebraucht, um nicht viel höher anzukommen.

Unverdiente Häme

„Generation Schneeflocke“ (FAZ), „Generation Blech“ (kicker). Intelligenzblatt und Fachmagazin ziehen über die deutschen Spieler her. Dabei war es das Beste, was Deutschland zu bieten hat. Und man war ja auch nach der Vorrunde die Beste von allen 32 Mannschaften. Mit 10,4 Expected Goals („xGoals“, in der Fachidiotensprache) liegt man mit weitem Abstand auf Platz 1: Über zehn hundertprozentige Torchancen, aber Pfosten, Latte oder der schwache Moment, aus fünf Metern das leere Tor nicht zu treffen, machten aus alledem nichts. Das Verhältnis von todsicheren Chancen zu tatsächlichen Treffern lag bei 10,4 : 6. Frankreich kommt auf 7,4 : 6, England auf 5,3 :9. Keine Mannschaft schoss so oft aufs Tor wie die deutsche, keine war so häufig so nahe dran. Dann ist es gekommen, wie es kommen musste: Zuerst fehlte das Glück, dann kam auch noch Pech dazu. Wer jetzt „Rücktritt!“ ruft und nicht den Fußballgott meint, der hat nichts verstanden.

Gedankenspiele

1990. Deutschland war Weltmeister geworden. Teamchef Beckenbauer erklärte, man werde nun auf Jahre hinaus unschlagbar sein. Denn der weltmeisterliche Kader werde durch die bevorstehende „Wiedervereinigung“ noch viel besser, weil die Top-Spieler aus der DDR hinzukommen. Aber es dauerte 24 Jahre, bis es wieder mit dem WM-Titel klappte, 2014 in Rio. Wiederum sah man darin den Beginn eines glorreichen Jahrzehnts, in dem der schnelle deutsche „Präzisionsfußball“ mit einem Torwart als elftem Feldspieler und „Libero“ die Fußballwelt dominieren werde. Aber 2018 schied man erstmals schon nach der Vorrunde aus. 2022 dasselbe. – Kann es also sein, dass das, was man für den Beginn einer Ära hält, bereits ihr Höhepunkt ist? Kann es also sein, dass man immer im Erfolg die größten Fehler macht? Erst wer gelernt hat, den Erfolg zu verkraften, ist fähig, ihn zu wiederholen? Läuft so der Hase, im Fußball wie im Leben?

Die Gutmütigen

Können besteht aus Begabung und Übung. Wer Talent hat und fleißig ist, bringt es zu was. An Begabung und Übung fehlt es den deutschen Spielern nicht. „Wille“, „Gier“, „Härte“ sind es, die angeblich fehlen. „Das Unbedingte“, meint ein Beobachter aus dem Springer-Hochhaus. Also etwas Hitlerisches? Das wäre ein angenehmes Defizit. Damit könnte man in der Welt bestehen, auch ohne zu siegen.

Neue Sucht

Spanien ist der spanischen Krankheit erlegen. „Passsucht“ heißt die spanische Krankheit. Erbsenzähler haben 1019 (in Worten: ein-tausend-neun-zehn) gelungene Pässe von Spieler zu Mitspieler gezählt. Im Spiel gegen Marokko. Weltrekord! Dass man versäumt hat, ein Tor zu schießen und das Turnier verlassen musste, ist im Jubel über die imposante Zahl untergegangen.

Regelbruch

Ende der Vorrunde. Das Gros der Spiele ist gespielt. 48 von 64 Partien. Stimmt das? 48? Wenn man genauer hinschaut, waren es fast 54. Denn auf 525 Minuten addiert sich die Nachspielzeit aller 48 Begegnungen, also fast sechsmal 90 Minuten. In der Reportersprache ist mit der 90. Minute die „reguläre Spielzeit“ beendet. Was jetzt folgt, ist die „Nachspielzeit“; das Adjektiv „irregulär“ unterschlägt man. Fußball ist ein Sport, in dem die Zeit das Spiel bestimmt, anders als im Handball oder Eishockey. Nach 90 Minuten auf der Uhr hat Schluss zu sei, egal, was bis dahin an Unterbrechungen und Zeitschinderei geschehen ist. So will es die Regel.

Nun sind wir in einer Phase angelangt, wo auf 48 reguläre sechs irreguläre Spiele kommen. – Legal, illegal, scheißegal? Unser „wertebasierter“ Fußball!


Folge I

Folge II

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Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Dankenswerter Weise hat er sie mir zur Veröffentlichung geschickt. In mehreren Folgen könnt ihr sie nun lesen.

Bitte schön!

5. 12. 22

Beim Umschlagen des Wochenkalenders fällt der Blick auf einen berühmten Satz von Jean-Paul Sartre: „Beim Fußballspiel verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“

Zu viele Kopfbälle abbekommen, Meister? Ein beknackter Satz! Mit der Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft fängt das Fußballspiel überhaupt erst an. Natürlich nicht aus der Sicht des kleinen Jungen, der für sich und mit dem Garagentor spielt. Aber der spielt ja auch kein Fußball.

Maßgeblich is auf’m Platz?

Gefragt, wo sich das Spiel entscheidet, antworten wir wie selbstverständlich: Auf dem Platz! Einen anderen Ort kennen wir nicht. Bei dieser WM konnten wir lernen, dass es da sehr wohl noch einen anderen Ort gibt: die Kabine. Nach dem kurzfristigen Ausfall seines Weltklasse-Spielers Benzema, verzichtete der französische Trainer darauf, einen Spieler nachzunominieren, was möglich gewesen wäre. Lieber fuhr er mit reduziertem Kader statt mit voller Kapelle zur WM. Beobachter fanden, die Chancen der Franzosen seien damit erheblich gesunken. In Wahrheit waren die Chancen gestiegen. Denn in der Kabine herrschte plötzlich eine andere, positive Stimmung. Benzema galt intern als „schwierig“ und „Stinkstiefel“. Befreit von diesem Kameraden, entstand einer neuer Geist des Zusammenhalts, den der Trainer nicht durch die Nachnominierung eines Ersatzspielers gefährden wollte. – Wer hätte das vorher in dieser Klarheit gedacht: Die Kabine ist ein nicht minder wichtiger Ort als der Platz!

Sinnfragen

Marokkos Spieler, die allermeisten im Ausland geboren und aufgewachsen, sind bereit, „für Marokko zu sterben“, sagen sie. Es ist immer leichter zu sterben, wenn man weiß, wofür. Vom deutschen Spieler Gnabry weiß man nicht, wofür er zu sterben bereit ist. Vielleicht eher für seinen Friseur als für Deutschland? Denn zu jedem seiner drei Spiele trat er mit einer neuen Frisur an. Dann durfte er nach Hause fahren.

9. 12. 22

Der Fußball stellt immer wieder die Verhältnisse auf den Kopf. Der Schwächere (8 Torschüsse, 1 Tor) besiegt den Stärkeren (20 Torschüsse, 1 Tor). Aber nicht im Spiel, sondern im Elfmeterschießen, was ein eigener Wettbewerb ist. Plötzlich wird der einzige Handballer unter den Fußballern, der Torwart, zum Held und sichert das Weiterkommen in einem Sport, der immer noch Fußball heißt. „Fußball ist auch das, was er nicht ist“, hat Giovanni Arpino geschrieben. Die Partie Kroatien gegen Brasilien hat es bewiesen.

Sauberman’s World

Und immer wieder das viele Geld im Profitfußball.

„Geld stinkt!“, rufen besonders gern die Deutschen.

„Aber wenn der Geruch nicht stört?“, fragt die Welt.

10. 12. 22

Ronaldo weint. Neymar weint. Messi lacht. Modric schweigt.

13. 12. 22

Messi lacht noch immer. Jetzt weint auch Modric.

Mama

Wie man hört, leben im Quartier der marokkanischen Mannschaft auch die Mütter der Spieler. Nach dem Weiterkommen gegen Portugal herzten und küssten einige Spieler ihre mit dem Hidschap bekleideten Mamas sogar auf dem Platz. Was für ein Kontrast zu den deutschen Spielern, die sich mit ihren Designer-Freundinnen ablichten ließen, junge Frauen, die sich als Influencerinnen betätigen und Hunderttausende von Followern haben, die sie liken und dissen. Dagegen ist ein Kuss deiner Mama ein Vogelschiss!

14. 12 22

Die Kolonialmacht ist im Finale. Die Kolonie ist nicht weniger stolz. Frankreich will noch Weltmeister werden, Marokko ist es schon. Weltmeister der Herzen. Und noch ein Sieger steht schon fest: Katar: Die Stars beider Final-Teams, Messi und Mbappé, spielen bei Paris St. Germain, dem Club des Emirs.


Folge I

Folge II

Folge III

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Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Mit der letzten Folge endet heute die Serie. Nochmals der Dank an Klaus Hansen für die bereichernde Lektüre in der Zeit zwischen den Jahren.

Bitte schön!


17. 12. 22

Modric lacht. Hakimi weint.

Politikum

Erfreuliches Desinteresse des Gastgeberlandes an seiner eigenen Mannschaft: Sang- und klanglose schied Katar schon nach der Vorrunde aus, null Punkte, ein Tor. Keinen Katarer, so scheint es, hat’s gejuckt. Dabei behaupten sie alle, „Patrioten“ zu sein, doch den Fußball brauchen sie dafür nicht. Den Sieg der Saudis über die Gauchos hat man unbändig gefeiert. Über das Weiterkommen Marokkos ist man schier aus dem Häuschen geraten. Beide Triumphe hat man den Palästinensern gewidmet. Ist ein neuer Panarabismus im Entstehen? Wird die ganze WM am Ende eine große Demonstration gegen den Staat Israel gewesen sein? Und das alles angestoßen durch den Fußball, der boykottiert wird, weil er doch so unpolitisch sei? Die Boygroup der Boykotteure verliert langsam den Überblick.

974

46 Tausend Plätze hat das Stadion „974“. Sechs Vorrundenspiele und ein Achtelfinale fanden in ihm statt. Direkt danach begann man mit dem Abbau der Arena.

Das Stadion ist nach der internationalen Telefonvorwahl von Katar benannt, 974; außerdem besteht es aus 974 Containern. Es ist darauf angelegt, nach Gebrauch ab- und anderswo wieder aufgebaut zu werden. Der Kosovo und Uruguay sollen interessiert sein.

Einst waren Stadien mythische Orte. Generationen von Deutschen sind ins Wankdorf-Stadion gepilgert, um am „Wunder von Bern“ zu schnuppern. Heute ist aus der Immobilie Stadion ein weltweit bewegliches Modul geworden. Das ist zwar „nachhaltig“, aber wer sich erinnern will, findet keinen Lieu de Mémoire mehr.

Schönheitspreise

Die Überlegenheit des brasilianischen Spielzugs, der zum Einszunull gegen Kroatien durch Neymar führte, erinnert an ein Foto aus der Frühzeit der Leichtathletik: Der Hürdensprinter Smithson rennt mit einem aufgeschlagenem Buch in der linken Hand über die Hindernisse und gewinnt deutlich. Eine Demütigung für seine Gegner, unter denen keiner war, der Zeit genug gehabt hätte, um unterwegs noch ein Buch zu lesen.

Der äußerst selten zu sehende Seehund-Trick gegen Südkorea: Mit dem Ball, der auf dem Kopf auf und ab hüpft, dreht sich Richarlison um den Gegner, lässt die Pille über die Brust abtropfen, spielt mit dem Fuß weiter, sprintet los, erhält den Ball zurück und schlenzt ein. Tiki-Taka mit Pirouette. – Nach gelungenen Kombinationen wie diesen ist immer auch zu sehen, dass die Spieler auf dem Platz sich nicht weniger darüber wundern wie die begeisterten Zuschauer auf den Rängen. Auch sie gestehen sich in diesem Moment ein, dass es nicht sie allein waren, die das geschafft haben und bedanken sich gestenreich höheren Orts.

Das Seitfallzieher-Tor des gleichen Stürmers Richarlison im Spiel gegen Serbien: So schön wie der Abgang des Olympiasiegers vom Pauschpferd!

Wo alle, nicht nur die Zuschauer, auch die Spieler, nichts als ein Gestrüpp aus Spielerbeinen sehen, erkennt Messi eine Gasse, durch die er den Ball auf seinen Kollegen Molina passt, der nur noch den Fuß hinzuhalten braucht.

Kein Freistoßtrick, ein Riesenfreistoßbluff: das Tor der Holländer zum 2:2 gegen Argentinien.

Das Dreizunull durch Álvarez nach Solo von Messi gegen Kroatien: Was tumbe menschliche Füße auch gegen meisterlichen Widerstand mit einer hochelastischen Kugel, die immer, wie es die Regel will, „frei“ bleiben muss, anzustellen vermögen! Lecko mio!

Faits divers

Beim us-amerikanischen Fußballreporter Grant Wahl hat es im Halbfinale Argentinien gegen Niederlande nicht bis zum Ende gereicht. Herzinfarkt!

Zweiter tödlicher Unfall bei der WM. Ein Wachmann aus Kenia ist vom achten Stock der Lusail-Arena gestürzt. Die Hinterbliebenen erwarten jetzt Bares.

Im englischen WM-Quartier ist „Dave the Cat“, eine herumstreunende Katze, von der Mannschaft adoptiert worden. Jetzt streiten sich die Abwehrspieler Kyle Walker und John Stones darum, wer das Tier mitnehmen darf.

Der Fußball hat überall seine Lobby

Hongkong, hört man, ist überhaupt nicht gut in Fußball, interessiert sich aber sehr dafür. Weil Fußball ein Versprechen auf schnellen Reichtum ist. In Hongkong sind Glücksspiele generell verboten. Mit Ausnahme der Wetten auf Pferderennen und Fußball.

Alter Einzelkönner

Messi mit Ball: besser als Pelé.

Messi ohne Ball: schlechter als Pelé.

Messi als Goalgetter: wie Pelé.

Messi als Vorbereiter: besser als Pelé.

Messi als Kumpel: schlechter als Pelé.

Messi als Paket: „Einer der Besten. Zumindest das wird man wohl sagen dürfen.“ (F.-W. Steinmeier, Bundespräsident) „Und wo bleibt Maradona?“, fragt Altkanzler Schröder.

Junger Einzelkönner

Nicht aus der Tiefe des Raumes, sondern mit Macht von links in die Mitte: Mbappé! Schon 2018 in Russland wurde er mit dem jungen Pelé von 1958 in Schweden verglichen. Jetzt ist er noch besser geworden und immer noch jung, 23. Und freundlich, wie vor vier Jahren in Russland, ist er geblieben: Den ins Aus gedroschenen Ball bringt er zurück zum Gegenspieler, damit der einwerfen kann.

Retro

Bei einer Fußball-WM wird nicht der beste Fußball geboten. Den besseren Fußball spielt man in der Champions-League; die Vereine sind Weltauswahlen und bestens eingespielt. Nationalmannschaften sind beides nicht. Manchester City spielt besser als England, Real Madrid besser als Spanien, Bayern München besser als Deutschland. Aber nur Nationalmannschaften spüren die Begeisterung einer ganzen Nation hinter sich, nicht nur den Lokalpatriotismus einer Stadt oder Region. Sie aktivieren Gefühle von gestern, „Nationalstolz“, in einer Welt, die längst zum Global Village geworden ist. – Die Fußball-WM als Gottesdienst für Zurückgebliebene? Abgehängte? Ewiggestrige?

Es war nicht alles schlecht

Dass die beiden japanischen Tore gegen Deutschland, die den „Untergang“ eingeleitet haben, von Bundesligaspielern geschossen wurden, Asano aus Bochum und Doan aus Freiburg, ist das Beste, was man über den deutschen Fußball bei dieser WM sagen kann. Meint Platthaus in der FAZ. Schön zwiespältig, der Witz!

Und nun?

Unter welchem Namen soll der neue Titelträger in die Annalen eingehen? „FIFA Champion 2022“? „Weltmeister der Schande“? „Gipfel der Korruption“? Oder einfach „Fußballweltmeister“? Diejenigen, die es einfach haben wollen, haben es schwer.

Selbstbestätigung

Infantino wusste schon vorher, dass es die beste WM aller Zeiten wird. Jetzt fühlt er sich bestätigt: „Die Menschen sind in Katar zusammengekommen, um die Probleme zu vergessen und Spaß zu haben.“ Genau! Augen zu und Sau raus, dafür ist Fußball da. Damit macht er den Blindenhunden um Infantino die Taschen voll.

Bilanz

Das Jahr geht zu Ende. Nun wird ein Strich gemacht und zusammengezählt. Auch bei Google. Das Wort „Ukraine“ führt die Liste der “Suchbegriffe des Jahres 2022“ an. Gleich dahinter, auf Platz zwei: „WM 2022“. Von wegen Boykott!


Folge I

Folge II

Folge III

Folge IV

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Soll ich meine Worte aus dem letzten Jahr einfach wiederholen? Soll ich nochmals zweifeln, ob es angebracht ist, meine Wünsche für das neue Jahr mit einem Rückblick auf das alte zu verbinden? Schon wieder habe ich das Gefühl, einfach nur nach vorne sehen hätte sowohl für den MSV als auch für das Leben überhaupt einiges für sich. Noch mehr als im letzten Jahr rücken Sorgen um den MSV deutlich in den Hintergrund gegenüber dem, was es sonst so für Probleme in dieser Welt gibt.

Manchmal war es im letzten Jahr für mich richtig erleichternd, auf die Schwierigkeiten dieses Vereins zu schauen. Wenigstens dort hatte ich das Gefühl, die Lösungen für die Schwierigkeiten sind klar erkennbar, leicht zu erklären und für alle Beteiligten auch einsehbar. Dass entsprechendes Handeln dann doch wieder Zeit brauchte, erinnerte wieder an die größeren Aufgaben in dieser Welt. Dennoch bringen die Veränderungen beim MSV mich nun nach drei kargen Jahren der Wirkungsloskeit meiner Wünsche für den Verein wieder in die Lage, mit Hoffnung auch Richtung Verein „Alles Gute für 2023!“ zu rufen. Bei euch hatte ich nie Zweifel. Also, auf dass sie helfen bei dem, was sich die Zebras und ihr euch vornehmt.

Etwas von dieser Hoffnung steckt schon in dem Beitrag des Zebrastreifenblogs, der im letzten Jahr Platz 5 der meist aufgerufenen Texte belegt. Der MSV rief vor dieser Saison in einem Clip mit Joachim Hopp zu Unterstützung und Dauerkartenkauf auf. Meine Begeisterung für die Machart des Clips mit dem neuen Ton bei der Ansprache der Fans war groß und führte zum sprechenden Titel des Textes: Dass mich mein MSV so überrascht.

Lasst mich zwischendurch erwähnen, anscheinend sind sowohl sämtliche BVB-Fußballtorten-Interessen inzwischen befriedigt als auch die Neugier zum Namen der Bielefelder Alm. Seit Jahren liefen nur noch außer Konkurrenz die BVB-Fußballtorten mit und der Anekdoten-Text darüber, wie die Bielefelder Alm zu ihrem Namen kam. In diesem Jahr hieß es für diese Beiträge Abschied nehmen von den vorderen Plätzen.

Platz 4 belegt ein Text zur jüngsten Aufregung um den MSV. Zunächst hatte ich nichts schreiben wollen, um nicht zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen. Alles schien nur eine von Schauinsland-Vertreter Andreas Rüttgers ausgelöste ausufernde Diskussion im MSVPortal zu sein. Doch versandete sie nicht wie zu früheren Gelegenheiten. Schließlich hatte ich das Gefühl, etwas einordnen zu müssen. Der MSV, Andreas Rüttgers und das richtige Leben. Dass alles aus dem Portal raus schwappte, war abzusehen.

Dass die Niederlage im Niederrhein-Pokal gegen Rot-Weiß Oberhausen im und um den Verein die Gemüter erregte, zeigt sich am großen Interesse für meinen Text nach dem Spiel, der Platz 3 belegt. Mehrheitsfähig war meine Meinung dennoch nicht. Klares Denken wieder möglich? habe ich den Text genannt. Der Titel deutet an, dass ich die Niederlage nicht als Komplettversagen der Mannschaft erlebt habe.

Unser aller große Erleichterung, dem Abstieg in der letzten Saison zu entkommen, erweist sich mit dem Beitrag auf Platz 2. Nichts anderes als das Dokument zur Rettung zeigt sich schon im Titel: Läuft! – Soll und Haben im Tabellenrechner. 33. Spieltag.

Es verbietetet sich nun, diese Reihung einer numerischen Tabelle einfach fortzuführen. Mit großem Vorsprung war mein Nachruf auf Holger Glücks der meistgelesene Text des letzten Jahres – Der „Deepsky“ fehlt seit Freitag für immer – Holger Glücks †. So zeigt sich noch einmal das besondere Wirken dieses Anhängers des MSV über den Fußball hinaus.

Zum Schluss nun lasst uns auf einen wieder erfolgreicheren MSV hoffen. Ich gebe zu, das mache ich auch aus eigenem Interesse. Denn Zebra-Fans ohne Sorgen interessieren sich intensiver für Bücher über den MSV. Auch das war das letzte Jahr: Meine MSV Duisburg Fußballfibel war im März erschienen. Ich freue mich auf die Lesungen in diesem Jahr und den Spaß beim gemeinsamen Erinenrn mit euch an unser Leben mit den Zebras.

Habt ein gutes Jahr. Wir sehen uns. Bleibt gesund!

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Schon im letzten Jahr freute ich mich auf die Rückkehr von Alaa Bakir in der Rückrunde. Ich vermisste seinen Beitrag zur Mannschaftsleistung nach seiner Verletzung. Seine Technik und Spielfreude hätten einige Spiele des MSV gut vertragen können.

Nun ist meine Vorfreude auf die Rückrunde noch mehr gestiegen, seitdem ich dazu gekommen bin, mir Alaa Bakir im Gespräch mit dem Youtuber Kevin from the Block anzuhören. Wie entspannt erzählt Alaa Bakir von seinen ersten Jahren mit dem Fußball. Wie lebendig erzählt er von seinen Gefühlen als Zwölfjähiger und später als Jugendlicher. Erst lehnt ihn Preußen Münster beim Probetraining ab, während seine Kumpel beim „großen“ Traumverein der Region angenommen werden. Kurze Zeit später bekommen seine Eltern und er das Angebot von Borussia Dortmund. Großartig, wie er von dem Scout des BVB erzählt, der auf ihn wie ein „Privatdetektiv“ wirkte. Überall tauchte er auf.

Sein Werdegang gibt einen Blick hinter die Kulissen des Talentscoutings im Profifußball, Alaa Bakir erzählt von der harten Auslese und den harten Lebensbedingungen für die Jugendlichen, die sich auf einen Weg bei einem Profiverein machen. Ein sehr interessantes Gespräch. Bitte schön!


Darüber hinaus hat mich dieses Gespräch zum ersten Mal mit einem Youtube-Phänomen konfrontiert, das mir im letzten Jahr von Schülern meiner Kulturprojekte erzählt wurde. Staunend erfuhr ich, dass es erfolgreiche Youtuber gibt, die nichts anderes machen als einen ein Game kommentierenden Gamer zu kommentieren. Die Attraktivität eines solchen Unterhaltungsangebots konnte ich nicht nachvollziehen.

Die Jüngeren unter euch werden mich wahrscheinlich als aus der Zeit gefallen belächeln, weil ich mit diesen Meta-Clips nichts anfangen kann. Vielleicht aber ist der Meta-Clip zum Gespräch auch für euch persönlich vollkommen uninteresant? Wenn ihr Zeit und Lust habe, schreibt mir in die Kommentare, wie ihr das seht. Jedenfalls gibt es einen Meta-Clip zu diesem Gespräch mit Alaa Bakir vom Youtuber Felicio 1892.

Mein Erstaunen über dessen Haltung beim Kommentieren könnte nicht größer sein. Kurios, wie er gönnerhaft über Kevin from the Block spricht, während die Clickzahlen seiner Clips deutlich unter denen seines Kollegen liegen. Dazu kommen billige unlustige Scherze. Irgendeine Hoffnung muss er damit ja verbinden.

Nocheinmal zurück zu dem Phänomen überhaupt. Interessant ist für mich die Frage nach der Zersplitterung der Wirklichkeit, die in diesem Meta-Erleben steckt. Verändern die Kommentare über das Gesehene das Erleben der Konsumenten? Verändert der etablierte Meta-Kommentar die Sprechsituation des Original-Kommentators? Was wird in Zukunft alles mitgedacht beim öffentlichen Auftritt? Falls ihr jüngeren Anhänger des MSV also etwas zu eurem Verhältnis zu solchen Meta-Clips erzählen könnt, ab in die Kommentare. Ich bin neugierig, wie sich das entwickelt und wie das auf die Kommuniation von uns allen in unseren verschiedenen Rollen zwischen Privatheit und Beruf mit der Öffentlichkeit beeinflusst.

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Als bei der Taktikbesprechung im Brauhaus gestern mir ein Mitspieler mal eben eine Bildungslücke der Pottmusikhistorie schloss, wusste ich noch nicht, dass die Band Kapelle Petra mit einem frühen Stück ein beachtenswertes Angebot für die Kommunikationsprobleme in diesem Land gemacht hat.

Ich werde mir demnächst aus dem Refrain einen Jingle schneiden und wenn mich in Gesprächen irgendjemand nervt oder ich mich langweile, dann drück ich die Jingle-Maschine und spiel ein: Können wir nicht einfach über Fußball reden.

„Über Fußball reden“ gehört zu einigen sehr witzigen Songs der Band aus Hamm. Wegen dieser Komik sehe ich ihr auch nach, dass der ersehnte Fußballstammtisch einem Verein mit dem falschen Kürzel gewidmet ist. Es kommt eben zu manchen Irrtümern im Leben, selbst wenn man in Sachen Lebenshilfe kreativ ist. In der letzten Produktionsrunde scheint die Band übrigens etwas ernsthafter in ihren Texten geworden zu sein. Ich bastel dann mal die Jingle-Maschine. Über Fußball reden, bitte schön:

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Sicher, man kann sich entscheiden, ob man jetzt jeden unbedingt regelmäßig sehen muss. Mancher bricht ja sogar den Kontakt zu den Eltern ab. Aber sie bleiben deine Eltern. Der du bist, bist du auch durch sie. Neben vielem anderen. So ähnlich geht es mir mit dem MSV.

Ralf Koss alias Kees Jaratz: Fußballfibel – MSV Duisburg, Culturcon medien, 2022​

Auftaktlesung 2023! Weiter geht es mit der Stadttour. In Neuenkamp bin ich im Dietrich-Krins-Weber-Zentrum zu Gast mit der MSV Duisburg Fußballfibel, dem Buch über mein Leben mit den Zebras seit den 70ern bis heute. Dort heißt es, Tagesfreizeit auch mal für den Gruppenspaß nutzen. Denn das Programm am 19. Januar beginnt um 15 Uhr. Ort: Mevissenstraße 16. In Kooperation mit PariSozial Duisburg. Eintritt frei.

Schauen wir mal, was ich von meinem Ausflug nach Saarbrücken am Wochenende zuvor erzählen kann. Da soll es ja ein Fußballspiel mit Beteiligung eines Vereins unseres gemeinsamen Interesses geben.

Hier der Link zur Veranstaltungsankündigung bei Facebook.


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Bundesliga, ich komm‘ aus dir

Was Ralf Koss in der „MSV Duisburg Fußballfibel“ von Fußballspielen, Auswärtsfahrten mit Freunden und verloren geglaubten Spielen erzählt, stößt bei Fans aller Vereine eigene Erinnerungen an. Dabei heißt es, kein Verein in Deutschland verschafft seinen Anhängern mehr Aufregung als der MSV Duisburg. Was ein Datenspezialist mit komplizierter Formel errechnete, weiß der Schriftsteller seit jeher. Die Dauerkarte kennt Ralf Koss noch als Abrissblock während der 1970er Jahre. Damals hielt er die Zebras als Teilnehmer im UEFA-Pokal für unabsteigbar. Er feierte die Erfolge vom Lienen- und Funkel-Fußball der 90er ebenso, wie er später skeptisch auf das Wirken von Walter Hellmich schaute. Nun erzählt er in der „Fußballfibel MSV Duisburg“ die berührende, oft komische und tief emotionale Geschichte seines Lebens mit dem Herzensverein. Seine Erlebnisse und Erinnerungen geben Duisburg und dem Ruhrgebiet Kontur. Ein Fußballbuch, das zum Portrait der Region wird.

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Wenn heute vor allem Fußballanhänger sich Gedanken darüber machen, ob der Fußball als inflationäres Unterhaltungsangebot im Fernsehen den Sport zerstört, so war das vor 50 Jahren ein damals recht prominenter Funktionär. Der Präsident des FC Bayern München, Wilhelm Neudecker, wollte offensichtlich mit kräftigen Worten aufrütteln.



Drei TV-Programme kannte das Land, und ich erinnere mich noch an meine Freude in jener Zeit, wenn ich bei einem Bundesligaspiel auch ohne Bayern-Beteiligung Fernsehkameras im Stadion entdeckte. Ein Spielbericht von dreien in der Sportschau, was für ein Fest. Allerdings nur bei einem Sieg. Ich hoffte, dass es nicht der erste war. Denn mit dem Stadionbus war ich meistens erst zehn bis fünfzehn Minuten nach Sportschaubeginn zu Hause.

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Der grüne Bühnenboden verweist auf den Rasen der Fußballplätze. Zudem sitzt das Publikum wie auf einer Sitzplatztribüne an der lang gestreckten Spielfläche. Fünf Nischen als stilisierte Handlungsorte wirken wie Seitenaltäre in einer Kirche. Während das Publikum Platz nimmt, warten in drei der Nischen die Schauspielerinnen und Schauspieler statuengleich auf den Einsatz. Fußball als Religionsersatz – diese Assoziation liegt nahe. Am Ende wissen wir, das war leicht dahingetupft, denn das Stück selbst vertieft solche Deutungen des Fußballs nicht. Vielmehr deutet sich damit an, wie umfassend die Wirklichkeit des Fußballs am Theater Oberhausen auf allen gestalterischen Ebenen künstlerisch anverwandelt wird. Die Uraufführung des Theaterstücks von Leo Meier „Die zwei Herren von Real Madrid“ beginnt. Es wird ein unterhaltsamer Abend, voller Spielfreude und Komik, inszeniert und ausgestattet mit viel Liebe zum Detail.


Der Anfang: Zwei Männer begegnen sich in einem Wald. Der eine flitscht Steine. Eine absurd surreale Welt entfaltete sich. In dieser Welt stellen die Männer ohne weiteres Erstaunen fest, sie spielen als Fußballprofis in derselben Mannschaft. Sie gehören zu den Topspielern bei Real Madrid. Realismus zeigt sich anderes, ein atmosphärischer Ton ist gesetzt, der in der förmlichen Sprache ihrer Unterhaltung sich fortsetzt. Sie bleiben beim Sie, obgleich die gegenseitige Anziehung, das Begehren im Spiel der beiden Schauspieler sofort miterzählt wird.

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Foto: Axel J. Scherer

Tim Weckenbrock und Khalil Fahed Aassy spielen die zwei Herren mit wunderbarem Gespür für die Komik von klischierten Fußballergesten, ohne die Figuren als Karrikaturen zu verraten. Diese zwei Herren sind mehr als komisch, sie berühren mit ihrer Sehnsucht nach Liebe, mit ihrer Scheu, sich zu öffnen, mit ihren Versuchen, sich trotz Schüchternheit stark zu geben.

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Foto: Axel J. Scherer

Leo Meier greift für die Dialoge dieser zwei Herren den Sound des Fußballbetriebs auf und erschafft ein eigentümlich poetisches, oft zärtliches Sprechen. Währenddessen hängt Elias Baumann als Jesus am Kreuz und macht sich beim Szenenwechsel pantomimisch bemerkbar. Überhaupt gehören zur wunderbaren Inszenierung von Maike Bouschen tänzerische Elemente. Das Körperliche des Sports Fußball findet sich im schauspielerischen Ausdruck auch immer wieder.


Die Annäherung der beiden Herren führt bald ins Elternhaus des einen. Samia Dauenhauer und Franziska Roth als Eltern lassen nicht nur in der ersten von drei ihrer Nebenrollen der komödiantischen Lust am Spiel freien Lauf. Gleichzeitig macht sich in der absurd-surrealen Welt das Utopische zum ersten Mal leise bemerkbar. Ganz selbstverständlich ermuntert die Mutter augenzwinkernd ihren Sohn, sich zu der anbahnenden Liebe zu bekennen. Auch das Unglück kommt als absurde Note mit dem tödlichen Allergieschock der Mutter durch den mitgebrachten Kuchen vom Spielerkollegen des Sohns. Im Spiegel der Beerdigung wird das Leben mit der vereinten Liebe beider Fußballer gefeiert. So kann sich das Utopische mit Wucht zurückmelden, als Elias Baumann, nun als Real-Star Sergio Ramos, beim gemeinsamen Training das nun öffentlich bekannte Paar gelassen als gewöhnliche Neuigkeit betrachtet. Der Fußball ohne Homophobie, was für eine Zukunft. Die ironische Botschaft dabei lautet, selbst ein Mann alten Schlages, ein überaus hart spielender Innenverteidiger, achtet in dieser Welt alle Menschen gleich, egal, wen sie lieben.


In letzten Wendungen des Stücks macht sich bei aller Surrealität die wirkliche Fußballwelt deutlicher bemerkbar. Vereinswechsel sind auch für Stars die Regel und damit ergeben sich Trennungen auch für die besagten zwei Herren. Wie schwer das fällt, bleibt offen. Der Premierenapplaus wollte kein Ende nehmen. Zurecht. „Die zwei Männer von Real Madrid“ begeistert.

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Foto: Axel J. Scherer

Im wirklichen Fußball hieße das Resümee, ein solcher Erfolg gelingt dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung und durch die hervorragende Arbeit sämtlicher Teile des Vereins. Wer so auftritt, darf den Blick auch auf die Plätze ganz oben in der Tabelle richten.

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Theater Oberhausen


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Neulich habe ich auf einem Flohmarkt ein Poesiealbum gesehen. Schöne Sprüche für Fußballer habe ich beim Durchblättern nicht gefunden. Seit Montag habe ich das Gefühl, ich sollte die Albumklassiker erweitern, dann ein Faksimile drucken lassen und es Joshua Bitter schenken.


Nach dem einen musst du trachten,
immer auch den Gegner achten.

Lässt sich Foulspiel nicht vermeiden,
sollten Gegner aber leiden.

Lerne viel, denn Wissen lohnt,
etwa, wo der Schiri wohnt.

Handel erst, wenn Wut vergeht.
Merk dir, wo sein Auto steht.

Alles Wissen teile gerne,
auch mit Fans in Stehplatzferne.

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Wenn ihr einen anregenden, oft amüsanten knapp zweistündigen Zeitvertreib sucht, findet ihr ihn mit dem Podiumsgespräch über den Fußball im Osten sowohl zu Zeiten der DDR als auch im vereinten Deutschland bis heute. Bei der von Jutta Braun moderierten Veranstaltung der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur geht es um die Vereinigung, erzählt am besonderen Beispiel Fußball. Es geht aber auch um die Rolle des Fußballs im Alltag der DDR und in der Nachwendezeit. Das kommt einerseits als Oral-History daher, andererseits als das Ergebnis einer soziologischen Studie zur Ostidentität. Das Verhältnis von Fußballfans im Osten zu den Westvereinen kommt ebenso zur Sprache wie das gerade in den Stadien entwickelte Selbstbewusstsein aus Ostdeutschland zu kommen.

Lasst euch nicht von dem Wort Transformation im Titel der Veranstaltung schrecken. Es ist das neue werbende Lieblingswort gegenwärtiger Diskussionen. Überall taucht es jetzt auf wie weiland das „Narrativ“. Das Gespräch selbst wird an keiner Stelle abstrakt. Die Journalisten Christoph Dieckmann und Frank Willmann geben tiefe Einblicke in den DDR-Alltag und den Osten der Nachwendezeit. Der Journalist und über Ostidentität forschende Soziologe Alexander Mennicke fundiert die persönliche Erfahrung mit Ergebnissen seiner Forschung. Besonders wird dieses Gespräch durch das stets mitzerzählte Verhältnis zum Westen. Selbst das Ruhrgebiet wird als Projektionsfläche für ostdeutsche Fanträume einmal kurz erwähnt. Bitte schön:

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Neulich bin ich in Paris gegenüber der Sorbonne einer bislang unbeachtet gebliebenen Lebensleistung von Michel de Montaigne auf die Spur gekommen. Der 1533 geborene Humanist, Philosoph und Autor der „Essais“ spielte wohl leidenschaftlich und sehr erfolgreich Fußball. Mit dem Goldenen Schuh wurde er noch vor Gründung der UEFA ausgezeichnet. Leider sind alle Statistiken aus jenen Jahren bei einem Brand verloren gegangen.


Wir wissen also nicht mehr, wie viele Tore er in seiner Karriere erzielte. Dennoch könnte der MSV nach der erneuten Verletzung von Benjamin Girth so einen Stürmer gut gebrauchen. Das dachte ich noch und blätterte mit meinem neuen Wissen einmal durch die Essais. Und siehe da, mit dem frischen Blick wird auf einmal deutlich, wie sehr das Denken Montaignes auch vom Fußball geprägt war. Heute noch verhelfen uns seine Gedanken zu einem tieferen Verständnis dieses Sports.

Aufschlussreiches zum Auswärtsspiel gegen Rot-Weiss Essen steht in seinem Essai „Wie die Seele ihre Leidenschaft an falschen Gegenständen ausläßt, wenn die richtigen ihr fehlen“.


Plutarch sagte ihm Hinblick auf jene, die in Äffchen und kleine Hunde vernarrt sind, daß der uns angeborene Liebestrieb, falls er kein rechtes Betätigungsfeld finde, kindische Ersatzbefriedigung aushecke, um nicht müßig zu bleiben. Und tatsächlich sehen wir ja, wie die Seele sich in ihren Leidenschaften eher selbst betrügt uns sogar wider besseres Wissen ein abwegiges Phantasiegebilde ersinnt, als ohne Gegenspieler zu sein.

Michel de Montaigne: Essais. Erste moderne Gesamtübersetzung von Hans Stilett, Frankfurt am Main 1998, S. 15​

Wenn das nicht auf die bedauernswerten Anhänger von Rot-Weiss Essen zutrifft, weiß ich es auch nicht.

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Die nächste Veranstaltung im Rahmenprogramm der Sonderausstellung vom MSV Museum im LVR Niederrheinmuseum Wesel naht. Ich freue mich auf die Talk-Runde morgen ab 19 Uhr, in der ich in einer Doppelrolle auf dem Podium sitze. Denn neben meiner Moderation ist auch meine Erfahrung als Autor gefragt.

Mit „Didi“ Schacht und Dietmar Hirsch werden zwei ehemalige Spieler des MSV über die unlängst erschienenen Bücher zu ihren Karrieren sprechen. Die Duisburger Journalistin und Autorin Tina Halberschmidt ist in der besonderen Situation als Fan des MSV, Sachbücher über den Lieblingsverein zu schreiben. Durch unsere Zusammenarbeit bei mehreren Büchern über Duisburg und den MSV ist mir die irritierende Gleichzeitigkeit von trister Gegenwart und Eintauchen in die freudvoll erinnerte Vergangenheit noch sehr präsent.

Und eines wird morgen Abend dann auch mal gefragt werden können: Ist was dran an den Gerüchten zu Dietmar Hirschs Beteiligung an der nebulösen Opposition, die gegen den Vorstand um Ingo Wald bei der JHV antreten will?

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Der Link zur Veranstaltung bei Facebook.

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Joa weiß nicht was ich schreiben soll. Erstmal ein Lob an @Kees Jaratz für die Moderation. Ich fande beide Didis eigentlich sehr sympathisch und es waren auch einige Schmunzler dabei. Es wurden wie einige Anekdoten erzählt und Didi Schacht erwähnte auch warum er vielleicht manchmal etwas negativ rüberkommt wenn es über den MSV geht, das war heute gar nämlich auch gar nicht der Fall und ist sonst wohl eher ein Eindruck über die Presse. Er hat auch den Trainer und Geschäftsführer gelobt und auch gesagt er sehe im Moment auch gar keine Position für sich und ist auch mit seinen momentanen Aufgaben zufrieden. Wenn die Sachen so stimmen wie er gesagt hat ist man mit ihm auch in der Vergangenheit auch nicht immer so nett mit im umgesprungen. Hat aber auch erwähnt das es in Sachen um ehemalige Spieler kümmern, besser geworden ist.
Bei Hirsch übrigens interessant seine Aussagen zu Elversberg. da sei Verhältnismäßig immer viel Geld gewesen nur keine Geduld diese sei dann irgendwann mit Horst Steffen gekommen, welcher trotz verpasster Aufstiege seine Philosophie weiterführen durfte und er deshalb auch jetzt Erfolg hat. Das klang auch etwas nach sollte man bei MSV auch mal machen. Während er von seiner ersten Zeit vom MSV durchaus geschwärmt hatte, war er von seiner Rückkehr nicht so begeistert, das könnte auch erklären warum ihn manche User eher um die Zeit negativ beschrieben haben.
Er hat auch auf Nachfrage die Aussage das er sich als Trainer sieht wiederholt, auf persönlicher Nachfrage ob er nicht für den MSV in Frage käme war die Antwort für mich etwas unklar, aber das er deshalb Teil der ominösen Opposition will ich auch nicht behaupten. Und natürlich verkauft man sich auch teuer und er ist auch drauf angewiesen im Fußball sein Geld zu verdienen , aber würde ihm Wünschen das er als Trainer nochmal die Chance bekommt und dann sein können zeigen kann.
Der Diplomat war übrigens auch da und hatte eine Frage an Schacht gestellt die ich nicht wirklich verstanden habe, da hat Schacht aber eher gelacht und gut drauf geantwortet. War grob ob er sich später im Alter einen Posten wie Zeugwart vorstellen könnte.

Ansonsten noch zu der Ausstellung. Ist klein und ein Ausflug nach Wesel lohnt sich für die weite Fahrt aus Duisburg leider eher nicht, aber es gibt Einblicke und Infos die man sonst eher nicht hat (Wie das der MSV mal in Algier gespeilt hat oder wie der MSV in der Zusammenarbeit in der Jugend aufgebaut ist) wer da aber mal in der Nähe ist der sollte da mal reinschauen. Da kann man nur hoffen, das es bald eine größere Ausstellung und alle zur Verfügung gestellten Devotionalien ausgestellt werden. Kleines Highlight übrigens der abgedunklete Raum wo man ausschnitte aus dem Blindenradio hören kann, musste da im dunklen erstmal den Hörer finden :D

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Und Blick in die Ausstellung
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Sicher, man kann sich entscheiden, ob man jetzt jeden unbedingt regelmäßig sehen muss. Mancher bricht ja sogar den Kontakt zu den Eltern ab. Aber sie bleiben deine Eltern. Der du bist, bist du auch durch sie. Neben vielem anderen. So ähnlich geht es mir mit dem MSV.

Ralf Koss alias Kees Jaratz: Fußballfibel – MSV Duisburg, Culturcon medien, 2022​

Doppeltes Duisburger Auswärtsspiel am Karnevalswochenende. Nach dem Spiel ist ein Tag vor der Lesung. In Freiburg bin ich am Sonntag im Swamp zu Gast. Auswärts wird es neben den Ausschnitten aus der MSV Duisburg Fußballfibel mehr Komisches aus der sonstigen Fußballwelt geben. Das Programm am 19. Februar beginnt um 17 Uhr.
Ort: Swamp, Talstraße 90, 79102 Freiburg i. Br. Eintritt frei.

Schauen wir mal, ob das Ergebnis am Vortag der Stimmung eine gute Grundlage verschafft.

Hier der Link zur Veranstaltungsankündigung bei Facebook.


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Bundesliga, ich komm‘ aus dir

Was Ralf Koss in der „MSV Duisburg Fußballfibel“ von Fußballspielen, Auswärtsfahrten mit Freunden und verloren geglaubten Spielen erzählt, stößt bei Fans aller Vereine eigene Erinnerungen an. Dabei heißt es, kein Verein in Deutschland verschafft seinen Anhängern mehr Aufregung als der MSV Duisburg. Was ein Datenspezialist mit komplizierter Formel errechnete, weiß der Schriftsteller seit jeher. Die Dauerkarte kennt Ralf Koss noch als Abrissblock während der 1970er Jahre. Damals hielt er die Zebras als Teilnehmer im UEFA-Pokal für unabsteigbar. Er feierte die Erfolge vom Lienen- und Funkel-Fußball der 90er ebenso, wie er später skeptisch auf das Wirken von Walter Hellmich schaute. Nun erzählt er in der „Fußballfibel MSV Duisburg“ die berührende, oft komische und tief emotionale Geschichte seines Lebens mit dem Herzensverein. Seine Erlebnisse und Erinnerungen geben Duisburg und dem Ruhrgebiet Kontur. Ein Fußballbuch, das zum Portrait der Region wird.

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In der im August 1963 erschienenen Vereinszeitschrift vom VfVB Ruhrort-Laar lässt sich das Bedauern über den verpassten Aufstieg der ersten Mannschaft leicht erkennen. Ich weiß nicht, in welcher Liga die Mannschaft seinerzeit spielte. Es ging nach Krefeld, Kamp-Lintfort; Mönchengladbach. Mehr als Bezirk wird es gewesen sein. Wenn es jemand weiß, gerne in die Kommentare. Mir fehlt die Zeit zur Recherche.


Die Umgangsformen jener Zeit werden ersichtlich, wenn dem „Nachbarverein“ Meidericher Spielverein gratuliert wird. Die Enttäuschung mindert nicht den Respekt vor dem „Gegner aus früheren Jahren“, die nun viel erfolgreiher sind als die „Ruhrschen“.



Die älteren Vereinsmitglieder allerdings wissen auf der ihnen vorbehaltenen Seite noch von glorreichen Siegen gegen den Meidericher Spielverein zu erzählen.



Interessant ist auch der Appell an die Sportskameraden Ärger und Unmut gegenüber den Schiedsrichtern zu zügeln. Denn es „ist nicht zweckdienlich seine Entscheidungen anzuzweifeln, man verärgert den Mann nur, und seine sonst objektive Leistung kann leiht umschlagen zugunsten der Partei, die seine Entscheidungen hinnimmt“. Scheint sich nicht viel geändert zu haben in diesem Fußball. Ach, nein, der Text geht ja weiter. „Tatsächliche Entscheidungen sind unanfechtbar.“ Im Kölner Keller hört man lautes Lachen.



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In der im August 1963 erschienenen Vereinszeitschrift vom VfVB Ruhrort-Laar lässt sich das Bedauern über den verpassten Aufstieg der ersten Mannschaft leicht erkennen. Ich weiß nicht, in welcher Liga die Mannschaft seinerzeit spielte. Es ging nach Krefeld, Kamp-Lintfort; Mönchengladbach. Mehr als Bezirk wird es gewesen sein. Wenn es jemand weiß, gerne in die Kommentare. Mir fehlt die Zeit zur Recherche.

Das war damals die Fußball-Verbandsliga Niederrhein, damals dritthöchste Liga. Heute ist das die fünftklassige Oberliga Niederrhein.

Edit: Nein das ist Falsch. Man Stieg in der Saison wo das Heft erschien auf und spielte dann in der folgenden Saison ( 64/65) in der Verbandsliga. 1963 spielte man also noch in der Landesliga Niederrhein. Dort war man in Gruppe 2 eingeteilt.

Tabelle der Landesliga Staffel 2 sah 1963/1964 so aus

1. Meidricher SV A (N) 32 71:34 43:21
2. Mönchengladbacher SV (N) 32 69:53 43:21
3. SC Kleve (A) 32 62:34 36:28
4. Grün-Weiß Viersen 32 82:55 36:28
5. SuS Krefeld 32 46:40 36:28
6. SV St. Tönis (N) 32 47:41 36:28
7. VfB Kleve 32 72:65 36:28
8. SV Hochheide 32 58:44 35:29
9. ASV Lank (N) 32 52:57 35:29
10. TSV Kaldenkirchen 32 60:52 34:30
11. GSV Moers 32 60:59 33:31
12. TuS Lintfort 32 58:52 32:32
13. SV Grefrath 32 37:50 32:32
14. 1.FC Mönchengladbach 32 49:51 30:34
15. Preußen Vlyn (N) 32 41:56 24:40
16. TuS Rheinberg 32 32:78 17:47
17. Marathon Krefeld 32 29:104 6:58
Aufsteiger: Gelria Geldern, TuS Grevenbroich, TuS Meerbeck

Aus der Verbandsliga: FV Duisburg 08, SV Neukirchen-Vlyn
 
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Die Gerüchte sind nun bestätigt. Auf der Jahreshauptversammlung des MSV Duisburg werden die Mitglieder eine richtige Wahl besitzen. Es gibt einen Gegenkandidaten für den Vereinsvorsitzenden Ingo Wald. Was grundsätzlich zu begrüßen ist und besagter Ingo Wald in vielen Gesprächen seit langer Zeit wünschte. Eine wirkliche Wahl stärkt die Position eines Vereinspräsidenten, egal wer gewählt wird. Helmut Sandrock kandidiert also als Vereinspräsident gegen den bisherigen Amtsinhaber Ingo Wald.

Als ich die Bestätigung las, kam ich ins Nachdenken. Warum interessiert sich ein Mensch für den Vorsitz des MSV, der seit Jahren mit diesem Verein nicht wirklich etwas im Sinn hatte; ein Mensch, von dem ich nie las oder hörte, dass er zu diesem Verein eine besondere Bindung besitzt – obwohl er ja vor zwanzig Jahren schon einmal Präsident des MSV war.

Nun sind Fußballvereine als Teil der Unterhaltungsindustrie dieses Landes keine normalen Vereine, bei denen sich die Funktionäre immer aus dem Mitgliederkreis rekrutieren und man oft ein Amt auf Lebenszeit einnimmt, falls man vorschnell ja sagt. Insofern muss die Kandidatur von Helmut Sandrock alle am MSV Interessierten optimistisch stimmen. Dem MSV wohnt also weiter jene hoffnungsvolle Zukunft inne, mit einer Position im Verein jene glitzernden Aura der großen Fußballwelt zu erhaschen, die in der 3. Liga doch meist unerreichbar wirkt.

Was anderes als diese Aura erkenne ich momentan nicht als Grund für die Kandidatur. Vermisst ein Mann, in dessen Berufsleben diese Aura immer vorhanden war, etwas im kleinen Fußball des MSV Moers, wo er momentan 1. Vorsitzender ist. Denn was will ein Mann ohne innere Verbindung zum MSV bei diesem Verein der 3. Liga? Natürlich würde er mir antworten, dazu stehe doch alles in der Vorstellung der Opposition, die auf der Seite des MSV veröffentlicht wurde. Die dürftige Gegenwart beschäftigt ihn und viele andere. Deshalb soll also eine Aufbruchstimmung her und die Menschen hier sollen wieder stolz sein können. Aber warum interessiert das ausgerechnet gerade ihn? Und warum jetzt?

Eine wirkliche Antwort darauf gibt es nicht. Also gibt es auch keine Antwort darauf, warum ihn jemand wählen sollte. Als einziges Argument zählte der finanzkräftige Mensch im Hintergrund, der nicht in die erste Reihe will und jemanden suchte, dem er vertraute, der zudem auf den ersten Blick ein Standing in der Branche besitzt. Es wäre für mich der einzige Grund, um über das Risiko eines Führungswechsels überhaupt nachzudenken. Mit allen Folgen der Abhängigkeit von einem Geldgeber im Hintergrund. Sonst finden sich keine wirklichen Argumente für den Führungswechsel. Wieso sollte man einer Mannschaft vertrauen, die im MSV bisher nicht präsent war? Welche Arbeit wurde bislang im Fußball geleistet? Denn da es beim MSV um dieses merkwürdige Zwischending von Verein und Fußballunternehmen geht, braucht es nicht unbedingt eine emotionale Bindung an den MSV, wenn es handfeste andere Argumente für die Wahl gibt.

Wenn ich nur auf Helmut Sandrock schaue, lese ich von einer ansprechenden Karriere in diesem Fußball-Unterhaltungsbetrieb. Da hat sich also das einstige Engagement beim MSV als Eintrittskarte in diese Welt gelohnt. Den eigenen Vorteil scheint er dabei nicht aus den Augen verloren zu haben bei seinen Tätigkeiten, gerade beim DFB in Verbindung mit den TV-Rechten. Ob man solche Vorteile beim MSV wieder suchen kann? Nachdem die finanzielle Situation durch das Wirken von Ingo Wald einigermaßen im Griff ist?

Am Anfang der ansprechenden Karriere aber stand der Niedergang des MSV nach der Funkel-Ära. Meiner Meinung nach begann der mit einer Personalentscheidung zu Zeiten der Präsidenschaft von Hans Spick, die Helmut Sandrock als Vorsitzender des Aufsichtsrates vom MSV vorangetrieben haben soll. Zum Erfolg der Funkel-Ära trug Gerd Merheim mit der Kader-Zusammenstellung entscheidend bei. Als es für ihn um einen Vertrag mit Perspektive ging, wurde ihm der vom Aufsichtsrat des Vereins nicht gewährt. Gerd Merheim ging. Helmut Sandrock übernahm wenig später die Präsidentschaft und hatte offensichtlich mehr Interesse an prominenten Namen. Bernd Cullmann anstelle von Gerd Merheim klang gut, brachte sportlich aber nur den weiteren Abstieg. Muss ich die weitere Geschichte mit den Stichworten Walter Hellmich und Zwangsabstieg nennen? Da stand Helmut Sandrock längst beim DFB unter Vertrag.

Allerdings können Jahreshauptversammlungen von Fußballvereinen ja sehr emotionale Angelegenheiten sein. Wenn die entstandene Unzufriedenheit über den sportlichen Erfolg der letzten Jahre in Wallung gebracht werden könnte, läge rationales Handeln schnell fern. Ich gebe zu, das sorgt mich ein wenig.

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Eine letzte Anmerkung, weil ich über eine Stelle in der Verlautbarung der Opposition stolperte. Sie wirft ein Licht auf diese Kandidatur. Das Wörtchen „designiert“ wird genutzt, wenn Menschen für ein Amt schon fest vorgesehen oder bereits gewählt sind, aber es noch nicht bekleiden. Ein sprachlicher Lapsus nur? Oder doch ein Hinweis auf die mehr selbstbezogene Motivation bei dem Ganzen?

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Verfolgt man seit Anfang der Saison die Diskussionen in den sozialen Medien über Torsten Ziegner und Ralf Heskamp lastet auf beiden eine Bürde, die sie nicht zu verantworten haben. Es kommt mir so vor, als habe sich sich bei vielen Anhängern des MSV in den letzten Jahren ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber sportlich Verantwortlichen entwickelt. Nur ein Dauerverweilen auf den Aufstiegsplätzen in dieser Saison hätte dieses Misstrauen aufgelöst. Bei einer geplanten kontinuierlichen Entwicklung von vielen zu immer weniger Niederlagen konnte deshalb jede einzelne Niederlage, die Qualität der Arbeit von Trainer und Sportdirektor grundsätzlich in Frage stellen.

Wer Torsten Ziegner misstraut und nicht schon durch das Spiel gegen den TSV 1860 München ins Nachdenken gekommen ist, könnte mit der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Dynamo Dresden weiteres Vertrauen gewinnen. Deutlich wurden die langen Linien einer Saison, die planerische Arbeit Torsten Ziegners, die damit verbunden ist und die Schwierigkeit, eine Fußballmannschaft zeitgleich in jeglichem gemeinsamen Handeln auf dem Platz besser zu machen.

Als er gefragt wurde – unten ab 5.58 – , warum die Mannschaft in den letzten Spielen wieder mehr Tore hinnehmen musste, war die Antwort für ihn einfach. Weil die Mannschaft offensiv stärker geworden war. Sie hatte in den letzten Spielen auch mehr Tore geschossen. Dabei ging er auf den Plan für diese Saison ein. Erst die Defensive stabilisieren und mit dieser Spielweise genügend Punkte holen, um auch das Risiko offensiveren Spiels eingehen zu können. Ohne mehr Risiko konnte die Offensive nicht erfolgreicher werden. Nun erst kann die nötige Balance entwickelt werden. Das aber ist Feinarbeit der Abstimmung zwischen den Mannschaftsteilen. So klar und leicht verständlich wird während dieser PK über strukturelle Trainingsarbeit gesprochen. Indirekt wird dadurch deutlich, wieviel Zeit es benötigt, die Spielstruktur einer Mannschaft zu entwickeln.

Denn an diese Bedingung beim MSV müssen wir uns erinnern. Der MSV wird keine Spieler verpflichten können, die sich mit Sicherheit auf ihrer Position im oberen Niveau der Dritten Liga befinden. Die einmal vorhandene Struktur einer Mannschaft gibt aber nicht nur jedem neu hinzu kommenden Spieler Sicherheit. Auch das Trainerteam muss nicht mehr bei null anfangen. So oft habe ich in dieser Saison das Urteil durchschnittlicher Drittligatrainer gelesen. Keine Ahnung, ob das Urteil stimmt, aber wenn dem so wäre, kann auch ein durchschnittlicher Trainer, der so arbeitet wie Torsten Ziegner, die Mannschaft kontinuierlich besser machen. Was ja eine schöne Nachricht für alle Durchschnittsmenschen ist. Erfolg stellt sich trotz misstrauischer Blicke ein, wenn man einfach in Ruhe die nötige Arbeit machen kann.

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Die aktuelle Saison ist für den MSV bereits die vierte Spielzeit in Folge in der 3. Liga. Nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga 2019 konnte man lediglich in der Folgesaison im Aufstiegsrennen mitmischen. Ansonsten plagten den Verein durchgängig finanzielle Schwierigkeiten und auch so manche Personalentscheidungen waren zumindest rückblickend fragwürdig. Doch wie geht es nun weiter beim MSV?

Zumindest läuft es sportlich gesehen etwas ruhiger als die vergangenen beiden Spielzeiten. Die Konstanz lässt man zwar weiterhin vermissen, doch dem Abstiegskampf konnte man sich zuletzt durch wichtige Punkte wohl vorerst entziehen. Ein Erfolg nach den letzten Jahren, in denen man oftmals bis zuletzt zittern musste.

Mittelfristig peilt der MSV allerdings die Rückkehr in die 2. Bundesliga an. Da gehört ein solcher Traditionsverein schließlich auch hin. Deswegen formulierte der aktuelle Präsident Ingo Wald diese Vision recht klar. Doch von Euphorie ist im MSV-Umfeld nicht zu sprechen, die Anhänger wirken skeptisch.

Wahlen können neuen Schwung erzeugen


Die Ursache liegt nicht unbedingt in erster Linie im aktuellen sportlichen Abschneiden von Torsten Ziegners Team. Immerhin ist die aktuelle Saison durchaus als Fortschritt zu deklarieren. Es ist vielmehr die Situation rund um den Verein, denn schon bald stehen beim MSV Duisburg einmal mehr Wahlen an. Genauer gesagt tritt der amtierende MSV-Chef Ingo Wald mit seinem Team gegen den ehemaligen DFB-Funktionär Helmut Sandrock und dessen Team an. Mehr zu den Interessen von Helmut Sandrock am MSV findet man hier.

Am Ende wird es unabhängig vom Ausgang der Wahl wichtig sein, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Getragen von der Euphorie sind dann vielleicht auch kurz- und mittelfristige Erfolge wieder möglich. Doch diese liegt derzeit nicht in der Luft, beide Kandidaten werden skeptisch betrachtet.

Beide haben selbstverständlich eine Vergangenheit mit dem MSV und gleichbedeutend auch Altlasten zu tragen. Ohne Zweifel hat der aktuelle Chef Wald eine Menge für den Verein geleistet, allerdings auch zu lange am stark kritisierten ehemaligen Sportdirektor Ivica Grlic festgehalten. Der Absturz in die 4. Liga wäre dadurch beinahe die Folge gewesen.

Auf der anderen Seite steht eben Sandrock, der bereits von 2000 bis 2002 den Klub anführte. Während seiner Amtszeit rutschte man aufgrund einer Vielzahl an strategischen und sportlichen Fehlentscheidungen vom internationalen Geschäft in die zweite Liga ab. Eine Entwicklung, aufgrund welcher so mancher Fan die Personalie Sandrock kritisch sieht. Aus den Fankreisen ist zwar zu hören, dass man sich über eine Gegenkandidatur durchaus freut, doch angesichts der konkreten Personalien überwiegen Kritik und Skepsis.

Unabhängig vom Ausgang dieser Wahl muss die Zielrichtung des MSV jedoch eine eindeutige sein und bleiben. Der Verein muss, auch aufgrund der schwierigen finanziellen Situation, mittelfristig wieder eine Rolle im Aufstiegskampf und in der 2. Bundesliga spielen, das sehen auch diverse Fußballexperten so.

„Der MSV Duisburg ist ein absoluter Traditionsverein und gehört für mich unbedingt zurück in das Bundesligageschäft. Ich bin mit dem MSV in der Bundesliga und 2. Bundesliga aufgewachsen und würde ihn dort gerne so bald wie möglich wiedersehen. Das ist ein Verein, der die Fans anzieht. Ein Verein, den man in den obersten Ligen gerne sieht. Ein Verein, der für gute Stimmung steht und für Überraschungen sorgen könnte”, so Florian Först von Kickfieber.de.

Und so richtet sich der Blick zunächst einmal mehr denn je in Richtung der Jahreshauptversammlung am 22. März. Ein entscheidender Tag, an dem die Mitglieder im Theater am Marientor über die Personalien für die Zukunft des MSV entscheiden. Im Anschluss muss die sportliche Entwicklung aber unabhängig vom Ergebnis in Richtung 2. Bundesliga gehen.

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Für diesen Sound hat sich die Verpflichtung von Santiago „Santi“ Castaneda schon mal gelohnt. Eine Vision erhält ihren Soundtrack. Der MSV! Demnächst auch wieder international. Ich habe da mal was rausgeschnitten aus dem Vorstellungclip:

https://youtube.com/clip/Ugkxtivq4srfyK1yYgOUmjKrD6jY6Ez5Yfar

Ich rätsel, warum dieser Clip hier nicht eingebettet wird.


Für uns Ältere besitzt der Name ja einen sehr vertrauten, geradezu heimeligen Klang. Erinnert ihr euch an die Taschenbücher des Fischerverlages mit den pastellfarbenen Umschlägen und dem gezeichneten Mann in der Mitte? Überall bin ich ihnen ab Mitte der 1970er Jahre für lange Zeit begegnet. Die Bücher von Carlos Castaneda. In der deutschen Übersetzung sie den „Don Juan“ im Titel. Für einen Jugendlichen auf der Suche nach Lebenshilfe waren diese Titel eine Mogelpackung. Ich vermute heute eine auflagensteigernde Absicht des Verlages dahinter. Ließ es den irrenden Jugendlichen doch interessantes Wissen für den Umgang mit dem andren Geschlecht vermuten.

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Als ich dann schnell erkannte, Herrn Castaneda ging es um das große Ganze, das Leben, den Sinn, Bewusstseinserweiterung und Spiritualität, war ich mit meinem vom „Don Juan“ befeuerten Spezialinteresse schnell gelangweilt von diesen Büchern. Ein weiterer Irrtum auf den unergründlichen Wegen eines Lebens, wie ich Jahre später erst feststellen konnte.


Wenn Carlos Castanedas Fußball spielender Namensvetter nun diese Erinnerungen allmählich verblassen ließe – diesem Gedanken kann ich einiges abgewinnen. Bis es so weit ist, höre ich mir immer wieder mal dieses „Em-Es-Wii“ von Santi an.

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Klaus Hansen war schon mehrere Male in diesen Räumen hier zu Gast. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst. Mit etwas Abstand zur Fußball-WM dachte er darüber nach, was sich aus dem dort zu erlebenden Geschehen über die Entwicklung des Fußballs sagen lässt. Einmal mehr der Dank an Klaus Hansen für seine Gedanken über den Fußball.

Bitte schön!

Additional Time als Teil der Kommodifizierung des Fußballspiels

Einige Erkenntnisse nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2022

Von Klaus Hansen

Schlagzeile vom 23. 11. 22: „Tor für die Niederlande in der 99. Minute und Elfmeter für den Iran in der 13. Minute nach Ablauf der regulären Spielzeit.“ – Fußball ist seit der WM in Katar ein Spiel, das aus zwei Halbzeiten und einer Nachspielzeit besteht. Wenn man von „regulärer Spielzeit“ spricht, so muss man bei der „Additional Time“ von „irregulärer Nachspielzeit“ sprechen. Die Kommentatoren tun es nicht. Dieser Regelbruch ist nun zur Gewohnheit geworden und auf dem Weg, zur Norm zu werden.

Bei vielen Wettkampfspielen diktiert das Geschehen die Zeit; bei Spielunterbrechungen wird auch die Uhr angehalten. Ein 60-minütiges Eishockeyspiel kann 110 Minuten dauern. Beim Hand- und Basketball ist es nicht anders. Anders ist es beim Fußball. Hier diktiert die Zeit das Geschehen. Nach 90 Minuten hat Schluss zu sein, auch wenn die „Nettospielzeit“ nur 60 Minuten betragen hat; auch wenn die seit der 70. Minute in Führung liegende Mannschaft die Kunst der „Zeitschinderei“ pflegt, um mit Lug und Trug das Ergebnis „über die Zeit zu retten“. Nach 90 Minuten hat Schluss zu sein. Das ist die Regel.

Seit die Regelwut uns den „Videobeweis“ beschert hat, gibt es nun in jedem Fußballspiel unverschuldete Unterbrechungen, die man nach Sekunden und Minuten messen und am Ende der Spielzeit draufsatteln kann. Nun hat die FIFA in Katar weitere Zeitvorgaben gemacht: Ein Torerfolg mit anschließendem Torjubel schlägt nun mit 90 Sekunden zu Buche; für die Auswechslung eines Spielers werden 30 Sekunden veranschlagt. Für Verletzungspausen hat man noch keine Pauschale festgelegt, hier verlässt man sich auf das Feingefühl des Referees. Vom Pferdekuss bis zum Herzstillstand: Alles hat seine Nachspielzeit. „Das Publikum bekommt nun mehr für sein Geld“, kommentiert lapidar die FAZ. Die Zeitung hat Recht. Darum geht es.

Seit man entdeckt hat, dass die Zeit zwischen dem Ende der 90. Minute und dem endgültigen Abpfiff für den Fußballkonsumenten eine besondere Zeit mit einem besonderen Zauber ist, arbeitet man an der Ausdehnung dieser Spanne. Das Ziel der Fußballvermarkter ist es, den Zuschauern „das größtmögliche Spektakel zu bieten“ (Luigi Collina, Chef der FIFA-Schiedsrichterkommission). Das ohnehin attraktive Spiel soll noch attraktiver, sprich: geldwerter werden.

Als in Katar die Vorrunde vorüber war, begann eine Zwischenbilanz mit dem Satz: „48 von 64 Spielen sind gespielt.“ Aber stimmt das? 48? Wenn man genau hinschaut, sind es fast 54 Spiele, die absolviert worden sind. Denn auf 525 Minuten addierte sich die Nachspielzeit aller 48 Begegnungen, also fast sechsmal 90 Minuten.

Eine Frage der Spannung

Was verkauft die FIFA eigentlich, wenn sie Fußballspiele verkauft? Sie verkauft eine eigentümliche Spannung, die es so bei anderen Spielen nicht gibt. (Warum ist der Kunde so spannungsbedürftig, könnte man fragen. Aber das ist eine andere Frage, die man auch den Millionen von täglichen Krimi-Zuschauern stellen kann, die ohne den am Mord- und Totschlag aufgehängten Thrill nicht auszukommen scheinen.)

Welche Spannung ist es, die das Fußballspiel für Abermillionen so anziehend macht?

Eine Leistungsspannung, wie sie die Leichtathletik auszeichnet, ist es nicht. Eine solche Spannung liegt vor, wenn ein Springer, Werfer oder Läufer versucht, einen bestehenden Rekord zu brechen. Die Zuschauer kennen die Marke und sind gespannt, ob der Athlet sie übertreffen kann oder nicht. Aber auch jeder gewöhnliche Wettlauf wird am Ende durch eine messbare Leistungsüberlegenheit entschieden, nicht durch Zufall oder einen Maulwurfshügel in der Laufbahn.

Eine hollywoodreife Suspense-Spannung ist es auch nicht: Man sieht die brennende Lunte, die unter den Tisch führt, an dem viele Menschen sitzen, weiß aber nicht, wann und ob überhaupt etwas passieren wird.

Die Dramatik des Fußballspiels beruht auf einer anderen Art von Spannung, der so genannten Zufallsspannung. Unvorhergesehenes und Überraschendes ist jederzeit möglich und nicht berechenbar, weder durch die vorausplanenden Trainer noch durch die agierenden Spieler. Einem Fußballspiel zuzusehen bedeutet, nie zu wissen, bis zum Schlusspfiff nicht, ob der Höhepunkt schon da war oder erst noch kommen wird. Diese Zufallsspannung haben wir auch bei anderen Ballsportarten, aber beim Fußball ist sie am größten, weil er der einzige Sport ist, der die Beherrschung elastischer Kugeln nicht den Händen, sondern den Füßen anvertraut. Füße aber können viel weniger als Hände. Darum misslingen Zuspiele auf engstem Raum, leere Tore werden verfehlt, Elfmeter gehen in den Himmel und statt den Ball zu treffen, tritt man ein Loch in die Luft oder bleibt mit dem Fuß im Boden stecken. Selbst den Meisterspielern unterlaufen solche Böcke. Wetter und Bodenbeschaffenheit tun ein Übriges, um den Fußball unberechenbarer als alle Sportarten zu machen, die auf Parkett und mit der Hand gespielt werden. Zufall, Glück und Pech führen im Fußball ein einzigartiges Eigenleben. Dieses spezifische Spannungspotenzial des Fußballspiels ist sein Alleinstellungsmerkmal und größtes Kapital. Damit macht die FIFA ihre Profite.

Kommodifizierung

Die künstliche Verlängerung des Spiels durch die Additional Time ist Teil einer Entwicklung, auf die der Begriff der „Kommodifizierung“ zutrifft. Mit Kommodifizierung soll der Prozess des Zur-Ware-werdens eines Dinges, einer Sache oder eines Menschen bezeichnet werden. Im Bereich des Fußballspielermarktes werden Fußballer wie Waren bepreist, gekauft, verkauft und verliehen. Das ist offensichtlich. Nicht ganz so offensichtlich ist die Kommodifizierung des Spiels selbst: Wie verändert sich das Fußballspiel unter dem Einfluss seiner Kommerzialisierung? Was wird aus dem Spiel, wenn es immer mehr zur fernsehtauglichen Ware wird?

Die Additional Time mit der nun in Katar erreichten Ausführlichkeit ist der vorläufige Schlusspunkt einer seit den 1990er Jahren forcierten Kommodifizierungswelle und gehört in eine Reihe mit mindestens fünf Änderungen in den letzten 30 Jahren:

1992 wurde die „Rückpassregel“ verändert:

Um weniger Leerlauf und mehr Action ins Spiel zu bringen, denn auf dem Bildschirm des Fernsehfußballs muss immer etwas los sein, hat man 1992 die „Rückpassregel“ novelliert. Bis dahin durfte man 100 Jahre lang den Ball zum eigenen Torwart zurückspielen, und der durfte die Kugel dann mit den Händen aufnehmen, sie vor sich hin wiegen, einige Male auftippen und dann in aller Seelenruhe abschlagen. Jetzt darf der Goalie den Rückpass nur noch mit dem Fuß berühren und weiterkicken. Das geht schneller und ist, bei der fußballerischen Unbeholfenheit so mancher Ballfänger, riskanter, – und schon sind ein paar Minuten an „Nettospielzeit“ plus Spannung hinzugewonnen. Die Ware Fußball ist wertvoller geworden.

1995 wurde die „Dreipunkteregel“ eingeführt:

Statt zwei Punkte für einen Sieg, gibt es seit 1995 nunmehr drei. Bei einem Unentschieden erhalten beide Teams je einen Punkt; man „lässt also zwei Punkte liegen“, wen man nur remis spielt. Der torreiche Angriffsfußball soll animiert werden. Der im Netz zappelnde Ball ist fernsehgerecht, nicht die vor dem Strafraum aufgebaute Mauer. Eine Mannschaft, die von den 34 Spielen einer Saison keines verliert, steigt dennoch ab, wenn sie 34mal remis gespielt hat, denn mit 34 Punkten schafft man in der Regel nicht den Klassenverbleib. – Das Unentschieden und die Moral der Punkteteilung haben seit 1995 an Wert verloren und damit die Ware Fußball wertvoller gemacht.

  • 2005 wurde das „passive Abseits“ beschlossen:

Obwohl ein Spieler im Abseits stand, kann das Tor dennoch zählen, wenn es sich um eine „passive“ Abseitsstellung gehandelt hat. Wieder geht es darum, mehr Tore ins Spiel zu bringen, weil mehr Tore mehr Attraktivität bedeuten, so die herrschende, aber nicht von allen Fans geteilte Meinung. Der Preis: Für den Schiedsrichter wird die Entscheidungsfindung schwerer. Technische Hilfsmittel drohen unverzichtbar zu werden. Fußball war einmal ein einfaches Spiel. Nun wird es für alle Beteiligten, auch für die Zuschauer, immer komplizierter.

  • Seit 2006 pflegt man das „Mehrballsystem“:

Über 100 Jahre war es Gesetz, dass nur mit einem Ball gespielt werden durfte, dem, mit dem der Anstoß ausgeführt wurde. Nur wenn der kaputt ging, konnte er ersetzt werden. Landete der Ball im Aus, hatten die Balljungen oft lange Wege, um ihn wieder zu besorgen. Das dauerte. Heute gilt das „Mehrballsystem“. Rund ums Spielfeld stehen Bälle zur Verfügung, die blitzschnell den Ausball ersetzen, so dass ein Einwurf kaum mehr eine Unterbrechung bedeutet, sondern, im Gegenteil, zum Beschleunigungsfaktor wird. Heute kann es passieren, dass in einem Spiel 15 Bälle zum Einsatz kommen.

  • 2022 wurde die „Auswechslungsregel“ novelliert:

Bis 1967 waren Auswechslungen im Fußball nicht möglich. Auch ein verletzter Spieler durfte nicht ersetzt werden. Dann änderte man die Regel aus „humanitären Gründen“. Erst war es ein verletzter Feldspieler pro Mannschaft, der kompensiert werden durfte, dann wurden es zwei. Das galt bis 1994. Ab 1995 wurde die Zahl auf drei erhöht und die Restriktion „verletzungsbedingt“ gestrichen. Seit 2022 sind nun fünf Feldspieler-Auswechslungen pro Spiel möglich. Ein Trainer kann also während eines Spiels die Hälfte seiner Mannschaft nach Gutdünken austauschen. Dadurch soll das Spiel, so die Hoffnung, seine hohe Intensität bis zur immer weiter hinausgezögerten Schlussminute beibehalten, was der Spannung zu Gute kommt.

Die Kommodifizierung des „Rahmens“, in dem Fußballspiele stattfinden, ist ebenfalls seit langem im Gange. Man denke an die Stadionarchitektur: Heranrücken der Zuschauertribünen ans Spielfeld durch Wegfall der Laufbahnen; Überdachung und Versitzplatzung; Gastronomie und Hygiene etc. Was „Stadion“ hieß, heißt jetzt „Arena“, die „Kampfbahn“ ist zum „Wohnzimmer“ geworden.

Das je einzelne Spiel ist eingebettet in eine „Show“, bestehend aus „Cheerleaders“, „Einlaufkindern“, „Hymnen“, „Countdowns“ etc. Katar hat gezeigt, wie man gekaufte Claqueure als „Fans“ verkleidet und auf die Pauke hauen lässt. Dass die im Stadion herrschende „Bombenstimmung“ eine natürliche und authentische ist, kann nicht mehr vorausgesetzt werden.

Ausblick

Eine nächste Maßnahme der Kommodifizierung könnte die Abschaffung des Unentschiedens sein, so dass in jedem Spiel ein Sieger ermittelt werden muss. Zur regulären Spielzeit und irregulären Nachspielzeit kommen dann noch „Verlängerung“ (2 x 15 Minuten) und „Elfmeterschießen“ (ca. 20 Minuten) als Bestandteile eines jeden Spiels hinzu. Fußballspiele werden zu zweieinhalbstündigen Abenteuern.

Auch eine grundsätzliche Änderung des Zeitmanagements wird wahrscheinlich: Zukünftig könnte im Fußball, wie in den anderen großen Ballsportarten auch, das Spiel die Zeit bestimmen und nicht umgekehrt. Dann würde sich das Überwachungswesen um mindestens noch um ein bis drei Personen erhöhen: Neben die drei Regelhüter auf dem Platz, dem „Vierten Offiziellen“ zwischen den Trainerbänken, dem Video-Referee und seinen drei Assistenten vor den Monitoren kämen dann noch ein bis drei „Zeitrichter“ hinzu, so dass die Mannschaft der Regelhüter die Elfzahl der aktiven Spieler erreicht. Fußball wäre dann endgültig zu einem Spiel geworden, das nicht mehr von zwei, sondern von drei Mannschaften gespielt wird. Er hätte dann nur noch wenig mit dem Fußball der Anfangsjahre zu tun, bei dem es überhaupt keinen Schiedsrichter gab, weil die Mannschafskapitäne beider Teams alle Konflikte untereinander regelten.

Die Kommodifizierung des Fußballs setzt alle Hebel in Bewegung, um das nachgefragte Gut „Zufallsspannung“ noch besser zur Geltung zu bringen, damit noch mehr „Kunden“ gewonnen werden. Und die bereits vorhandenen Kunden, die nicht eigens geworben werden mussten? Werden sie dieses Marketing mitmachen? Wohl eher nicht. Ihr „Reclaim the Game“ wird verhallen und sie werden den Weg alles Irdischen gehen und aussterben.

Einem Fußballspiel beizuwohnen heißt nicht nur Spannung zu genießen. Der wahre Fußball-Fan mag nicht nur den Fußball als Spiel, er mag viel mehr noch den Verein, der es spielt und mit dem er durch dick und dünn zu gehen verspricht. Fußball heißt Identifikation, Anteilnahme und Idolisierung: Mitfiebern mit einer Mannschaft und Vergöttern von Spielern. Wird diese „Liebe“ schon im Kindesalter begründet, hält sie oft ein Leben lang. Die Spannung, die sich aus der Ungewissheit des Ausgangs eines jeden Spiels ergibt, ist also verbunden mit der Hingabe an ein „Liebesobjekt“, das man nicht verlieren und leiden sehen will. Daher die oft an Hysterie grenzende Leidenschaft der Fans, die das Bild des Fußballs in der Öffentlichkeit prägt. Aber braucht die Ware Fußballspiel diese Hingabe fanatischer Anhänger?

Die Befürchtung, dass die gewachsene, „echte“ Leidenschaft der Fans auch der Kommodifizierung unterliegen könnte, ist nicht unberechtigt. Bei den „Geisterspielen“ während der Corona-Phase ersetzte man das leidenschaftliche Publikum im Stadion durch Pappkameraden auf den Plätzen und Gejohle aus der Ton-Konserve. Auch „Stimmung“ kann zur Ware werden. Die „Geisterspiele“ waren spielerisch und kämpferisch nicht schlechter als die Spiele mit Publikum. Das Fußballspiel selbst bedarf also nicht unbedingt des Supports leibhaftiger Fans. Aber der Fernsehzuschauer und Großfinanzier des Profitfußballs möchte stimmungsvolle Stadion-Bilder sehen. Und die können heute auch ohne Fans hergestellt werden.

Die alten Fans werden überflüssig, zumal sie unzuverlässiger und widerborstiger sind als gehorsame Pappkameraden und Beifallsstürme vom Band. Die neuen Fans des kommodifizierten Fußballs werden andere sein als „Kutten“, „Hools“ und „Ultras“, die wir heute kennen. Andere Namen werden auftauchen, „Event-Hopper“ und „Huhu-Macher“ vielleicht, „Selfie-Selfisher“ und „Adabeis“. Semi-professionelle Stimmungs-Komparsen sorgen auf den Tribünen für das, wofür die Cheerleaders auf dem Rasen zuständig sind: gute Laune und das Vergessen der Welt da draußen. „Eskapismus!“ wird man rufen, „was denn sonst“, wird man antworten und sich an Enzensberger erinnern, „bei diesem miserablen Zustand der Welt!“

Das war Katar

Wetter tadellos und für alle gleich. Optimaler Hybridrasen in allen Spielstätten. Kurze Wege. An-und Abfahrten zu den Arenen reibungslos. Keine Hools. Keine Schlägereien. Kaum Alkohol. Und sauber, alles klinisch sauber. Selbst die Spieler blieben sauber wie nie: Nur ein Platzverweis in 64 Spielen. – „Katar“ war ein Ausblick in die Brave New World des rundum kommodifizierten Fußballs, eines spieltechnisch guten, aber leidenschaftsarmen Spiels.

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Wer eine Wahl gewinnen will, sollte beizeiten sagen, welche Absichten er hat und darüber sprechen, welche Qualitäten er vorweisen kann. Es ist höchste Zeit. Schon nächste Woche findet die Jahreshauptversammlung des MSV statt.

Bei dieser Wahl gibt es einen Gegenkandidaten, der statt Ingo Wald den MSV in eine bessere Zukunft führen will. Helmut Sandrock heißt der Mann. Viel wurde über ihn als Hauptperson in einem Team beim MSV unbekannter Personen in den Sozialen Medien diskutiert. Was er außer den allgemeinen Hoffnungen auf die bessere Zukunft zum MSV zu sagen hat, wissen wir noch immer nicht so recht. Mancheinem scheint diese Hoffnung tatsächlich zu reichen. Lotto spielen soll ja auch eine populäre Angelegenheit sein, wenn man Großes im Leben erreichen will.

Sehr viel genauer können wir uns seit heute von Ingo Wald und seinem Team ein Bild machen. Ein Zusammenschnitt des Vorstellungsabend vom Dienstag ist seit heute online. Mich beeindruckt, was ich in dem Clip sehe. Jeder dieser Männer, die sich vorstellen, wissen wovon sie reden. Ihre emotionale Bindung an den MSV wird bei aller sachlichen Präsentation klar deutlich. Diese zusätzlichen Stimmen zu Ingo Wald machen die besondere und zugleich neue Qualität aus. Strukturiert und kompetent werden Defizite der Vereinsarbeit angesprochen. Das sind sehr konkrete Hinweise auf das gemeinsame Wissen, was die Arbeit für den MSV verbessern kann.

Darüber hinaus wehrt sich Ingo Wald zurecht dagegen, dass alles in den letzten Jahren schlecht gewesen sein soll. Einer der Prüfsteine sind die Sponsoreneinnahmen und das Interesse neuer Sponsoren. Dieser Vorstellungsabend war ohne Zweifel ein starker Auftritt. Nun können die Mitglieder die Worte in den nächsten Tagen in Ruhe überdenken. Sie können sich mögliche Nachfragen für die Jahreshauptversammlung überlegen, vermisste Möglichkeiten der Entwicklung prüfen. Durch Transparenz und Offenheit entsteht Vertrauen. Bildet euch eure eigene Meinung. Bitte schön!


Und nur damit das klar ist, Helmut Sandrock könnte denselben Kanal nutzen, um sich zu präsentieren. Nicht dass jemand diese Vorstellungsrunde auch noch zu einem Argument gegen Ingo Wald macht. Da gibt es keinen Amtsbonus für PR durch die offiziellen Kanäle des MSV. Diese Kanäle stehen auch dem Gegenkandidaten zur Verfügung, wie die Veröffentlichung der Pressemitteilung der Gegenkandidaten auf der Website des MSV gezeigt hat. Leider muss so etwas heute ausgesprochen und betont werden. Noch das schlichteste Argument findet in öffentlichen Debatten seinen Platz und den entsprechenden Beifall.

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Am Donnerstag um 19 Uhr lese ich im Rahmen der Duisburger Akzente aus zum Teil unveröffentlichten literarischen Texten, in denen ich mich mit den Auswirkungen von Alkolismus in einer Familie beschäftige. Das Ganze findet im Ruhrorter Plus am Neumarkt statt.

Im Programmheft wird die Veranstaltung wie folgt angekündigt:


Er sei nicht betrunken, er wisse nicht, wovon die Rede sei. Fragt man die Nachbarn, sagt der Sohn die Wahrheit. Sie kennen den älteren Mann betrunken. Seit Jahren, immer wieder. So kannte ihn seine geschiedene Frau. Den Sohn interessieren diese anderen Stimmen nicht. Zu seiner Geschichte kann nur einer ja sagen. Damit das geschieht, müsste ein Wunder geschehen. Das weiß der Sohn selbst. Er glaubt nicht an Wunder und kann dennoch nicht aufhören zu hoffen.
„Mit Bier und Korn in seinem Kopf“ ist eine Erzählung über scheiterndes Verstehen im Spiegel von Sucht und Alkohol. Ralf Koss liest Auszüge daraus und andere Texte, mit denen er der Sucht und ihren Auswirkungen auf das Miteinander auf die Spur kommt.

Ein Teil dieser Erzählung spielt in den 1960er Jahren. Damals machte die Werbung für Wicküler Bier auf spielende Kinder großen Eindruck. Sie regte nicht nur zu manchen Degengefechten an. Als begeisterter Leser stand ich auch bald vor der Frage, wieso es einerseits manchmal vier Musketiere in Abenteuerwelten gab und andererseits nur drei für Bier Werbung machten. Nicht nur diese Ungereimtheit der Wirklichkeit ließ ein grundsätzliches Misstrauen in die Behauptungen von Erwachsenen entstehen.

Und hier der Ausflug in die Werbung der 1960er Jahre.

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Roman, so steht es im Titel des jüngsten Buches von Ralph Hammerthaler. Muss man von diesem Buch mehr wissen als den Titel? Wenn man sich für Subkulturen im Fußball interessiert, wahrscheinlich nicht. Wenn man sehr konkrete Vortellungen von in Romanen erzählten handlungsreichen Geschichten hat vielleicht doch. Meint Roman in dem Fall doch weniger eine in sich geschlossene Erzählung mit langem Spannungsbogen als eine biografische Skizze zur Hauptfigur, die aus vielen kleinen, gleichgewichtigen Szenen besteht.

In Duisburg könnte das Buch durch zusätzliches Wissen weitere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Til ist nämlich Anhänger des MSV. Er lebt in Meiderich, arbeitet in Düsseldorf und spielte als Torwart ambitioniert in der Jugend der Zebras, ohne sich beim Übergang in den Seniorenbereich durchsetzen zu können. Auch der Umweg über die Amateure beim MSV blieb verschlossen. Stattdessen ging er zu Adler Osterfeld in der Verbandsliga. Sein Ehrgeiz war dahin. Der verlagerte sich schließlich zu dem einen speziellen Kampfsport. Eine Schlägerei in einer Diskothek führte ihn über die Türsteherszene in die in Teilen identische Hooliganszene. So ein daneben recht normales Leben mit geregeltem Berufsalltag und Freundin, kennt die Welt aus vielen Hooligan-Biografien Westdeutschlands.

Ralph Hammerthaler gibt einen tiefen biografischen Einblick in den Werdegang eines Mannes von etwa 40 Jahren aus dem Ruhrgebiet. Er erzählt von Zufällen auf dem Lebensweg, von Hoffnungen und Sehnsüchten, von Konflikten mit der Ursprungsfamilie, vom dennoch vorhandenen, zwiespältigen Zusammenhalt dort. Vor allem erzählt er immer wieder von der Anerkennung und dem intensiven Gefühl der Zugehörigkeit, die die Hooliganszene diesem Mann bot und bietet. Von Geborgenheit zu sprechen, verbietet sich eigentlich angesichts der erlittenen Verletzungen durch Kämpfe und der schließlich eintretenden größten Gefahr, der Til begegnet. Nicht zuletzt auch, weil in der gezeigten Männerwelt offen angesprochene Gefühle nur in begrenzten Ausschnitten erlaubt sind. Dennoch kam mir dieses Wort in den Sinn.

Das liegt auch an Ralph Hammerthalers literarischen Fähigkeiten. Er macht Menschen in ihrem sehr indivuellen Alltag verstehbar und hält deren grundlegende Bedürfnisse durch den erzählerischen Zusammenhang wach. Die Romanfigur Til kennen seine Leser schon aus seinem Ruhrgebietsroman „Die fünfte Nacht“. Dort trat er als Nebenfigur auf. Er gehörte zu einem durch eine feindliche Liebe verbundenem Bruderpaar, das der Held des Romans, ein Straßenbahnfahrer der DVG, während seiner Fahrten kennenlernte. Auch in diesem in großen Teilen in Oberhausen spielenden Roman fängt Ralph Hammerthaler ganz unspektakulär den Alltag des westlichen Ruhrgebiets ein. Weil er in diesem Roman sehr viel mehr Personen näher betrachtet, wird die Geschichte eine Art gesellschaftliche Panoptikum. Nicht die Biografien seiner Figuren interessieren ihn hier besonders, sondern deren Zusammenwirken als Stadtgesellschaft. Nicht die Vergangenheit ist wichtig in diesem Roman, sondern die Gegenwart des Ruhrgebiets.

Straßenbahnfahrer sind selten Hauptfiguren in einem Roman der Gegenwart. Schon diese Besonderheit macht neugierig auf das Buch. Einige Wochen aus seinem sehr alltäglichen Leben reichen für eine eindrucksvolle Erzählung. Dazu braucht es keine Handlung voller Wendungen. Denn Ralph Hammerthaler erfasst und beschreibt die Menschen dieses westlichen Ruhrgebiets sehr genau und mit viel Sympathie für jedes einzelne geschilderte Leben.

Das Schicksal des Ruhrgebiets brachte es mit sich, dass immer wieder von überall her aus Deutschland Menschen für einige Zeit in diese Städtelandschaft reisten, um sich eine Meinung zu erlauben. Manche glaubten dann, wahrhaftige Geschichten über die hier lebenden Menschen schreiben zu können. Meist hatten sie die Menschen nicht verstanden, geschweige denn ein Gespür für ihre Sprache entwickelt.

Dem in Berlin lebenden und in Bayern aufgewachsenen Ralph Hammerthaler dagegen gelingt beides auf beeindruckende Weise. Man hört das Ruhrgebiet in den Dialogen sprechen. Man sieht seine Figuren lebendig vor sich. Noch im kleinen Detail ihres Alltags nimmt Ralph Hammerthaler seine Figuren ernst. „Die fünfte Nacht“ lässt seine literarische Qualität deutlicher erkennen als sein „Kurzer Roman über Hooligan Til“. Auch wenn ein Leserkommentar bei Amazon zum „Til“ bestätigt, so begegner er „Til“ seit Jahren. Denn hinter allen Figuren in Ralph Hammerthalers zwei Ruhrgebiets-Romanen verbergen sich wirkliche Menschen. Er leiht sich ihre Geschichten aus, um etwas Eigenes zu erzählen. Ralph Hammerthalter schreibt besondere Geschichten über Menschen, die im Kulturbetrieb meist wenig Aufmerksamkeit erhalten.

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Ralph Hammerthaler
Kurzer Roman über Hooligan Til
Quintus Verlag
Hardcover
119 Seiten

20,00 €



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Ralph Hammerthaler
Die fünfte Nacht
Quintus Verlag
Hardcover
304 Seiten

24,00 €

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Soziologen auf Forschungsprojektsuche dürfen Nils Halberscheidt und Tim Gißke von Radio Duisburg dankbar sein. Für ihren Podcast Streifendienst haben sie Andreas Rüttgers vom MSV-Sponsor und -Gläubiger Schauinsland Reisen zu einem Gespräch eingeladen. Aber auch Kommunikationswissenschaftler, Sozialpsychologen und Psychologen finden in diesem Gespräch Anschauungsmaterial für ihre jeweilige Forschung.

Ihr seht, mich interessieren an der Causa MSV und Schauinsland Reisen, vertreten durch Andreas Rüttgers, keine Details, über die geredet wird – also all das, was uns Anhänger des MSV sonst im Erleben einer Saison Sorgen oder Freude macht, worüber man sich aufregt. Im Podcast geht es an der Oberfläche um die Ankündigung von Schauinsland Reisen, sich als Sponsor zurückzuziehen. Was mit der Stundung der Kredite geschieht, ist daneben nicht ganz so klar kommuniziert. Worauf ich noch zu sprechen komme.

Immer wieder geht es um einzelnes Handeln, sei es vom MSV in kritikwürdiger oder lobenswerter Weise aus Sicht von Andreas Rüttgers, sei es von Andreas Rüttgers selbst, der sich von Nils Halberscheidt mit Vorwürfen aus der Anhängerschaft konfrontiert sieht und sich rechtfertigt. Solche Details, wer was und wie auf welche Weise in der Vergangenheit genacht hat, führen zu keinem konstruktiven Sprechen, wenn man aus der Vergangenheit etwas lernen möchte. Und nur das interessiert mich heute. Daneben vielleicht noch, warum ich mir die Zusammenarbeit mit Andreas Rüttgers sehr schwierig vorstelle.

Fragt mal Paartherapeuten, wie es aus ihren Klienten ersteinmal herausflutet, was der jeweils andere wieder nicht oder unfassbarer Weise doch getan hat, obwohl er oder sie genau wissen, dass man sich darüber so ärgert. So ein Sprechen führt zu nichts, wenn nicht über Strukturen geredet wird. So klärt der Podcast letztlich keine Fragen der Verantwortung. Alle Kritiker der MSV-Verantwortlichen werden sich ebenso bestätigt fühlen wie alle Kritiker von Andreas Rüttgers.

Es sei denn, wir reden über Strukturen des Verhältnisses. Denn das leistet der Podcast sehr deutlich. Sowohl die Struktur des Verhältnisses von Andreas Rüttgers zum MSV lässt sich glasklar erkennen, als auch die von Andreas Rüttgers empfundene Unschuld im Verhältnis, weil er die eigene Verstricktheit in die Widersprüche nicht durchschaut. Weil er keine Anstalten macht, darüber nachzudenken, was sein Handeln in guter Absicht für destruktive Folgen haben kann. Wie hier im November letzten Jahres, als der lange verdeckte Konflikt mit dem MSV von ihm in die Öffentlichkeit getragen wurde – was mir neben vielen anderen Anhängern des MSV sehr missfiel.

Im Podcast beharrt Andreas Rüttgers sehr darauf, dass er immer als Sponsor-Vertreter aufgetreten ist. Wenn man sich anhört, welche Nähe es zum täglichen Handeln beim MSV nach dem Zwangsabstieg bis zur Entlassung von Ivo Grlic gegeben haben muss, mag das im Selbstverständnis so gewesen sein. Wer aber für den MSV und seine finanziellen Angelegenheiten spricht, wer gegenüber Spielern auf Bitte von Ivo über Vereinswerte spricht, der bleibt nicht Sponsor-Vertreter. Nicht in der Außenwirkung und auch das eigene Rollenverständnis erweitert sich. Mit diesem blinden Fleck lebt Andreas Rüttgers offensichtlich von Beginn an seines Engagements für den MSV.

Schon 2014 hatte ich mir das erste Mal über diesen blinden Fleck von Andreas Rüttgers Gedanken gemacht. Schon damals ging es um öffentliches Nachdenken im MSVPortal über den Rückzug von Schauinsland Reisen. Schon damals deutete sich an, dass er sich nicht darüber im klaren ist, wie sich in seiner Person unterschiedliche Haltungen, letztlich Rollen zum MSV und der Öffentlichkeit vermischen.



Dieses unklare Rollenverständnis wird zu einem mehr als persönlichen Problem von Andreas Rüttgers bei Unstimmigkeiten mit dem Gegenüber. Wie in einer Paarbeziehung sind diese Unstimmigkeiten dann nur ein Symptom für die darunter liegenden grundsätzlichen destruktiven Anteile dieser Beziehung. Dieses destruktive Potential aber wirkte immer schon. Nun wird es nur offenbar. Das heißt nicht, das Gegenüber, der MSV, hat alles richtig gemacht. Auf inhaltlicher Ebene lassen sich Kritikpunkte von Andreas Rüttgers nachvollziehen. Nur durch sein unklares Rollenverständnis hat er die Arbeit der Verantwortlichen beim MSV erschwert. Darum geht es mir heute.

Ich hoffte immer, dass das Selbstverständnis von Andreas Rüttgers beim MSV ohne direkten Einfluss auf das operative Geschäft zu bleiben, nicht einmal zum Problem werden kann. Denn mit etwas Abstand betrachtet, gab es diesen Einfluss. Das Sprechen darüber ist kompliziert, weil dieser Einfluss indirekt und unaufhebbar war bei gleichzeitigem Leugnen. Es gilt aber die alte Einsicht, man kann nicht nicht kommunizieren. Er selbst berichtet von seiner Präsenz in Geschäftsräumen, in den VIP-Räumen, auf dem Trainingsgelände. Da ist also jemand immerzu mit Meinungen da. Auch das berichtet er, man sei im Austausch gewesen. Andreas Rüttgers ist aber das Scharnier zu dem Unternehmen, dank dessen der MSV überlebte. Diese Rolle bringt Macht mit sich. Diese Rolle lässt sich nicht abstreifen. Und nun stellen wir uns vor, der Mann äußert Meinungen. Diese Meinungen wirken durch seine Rolle. Egal, ob Entscheidungen direkt beeinflusst werden oder nicht. Diese Meinungen sind im Hinterkopf von Verantwortlichen. Diese Meinungen hemmen oder beflügeln – je nachdem. Dennoch kann Andreas Rüttgers selbstverständlich sagen, er nimmt keinen Einfluss. Für die Oberfläche des Geschehens spricht er die Wahrheit. Deshalb ist dieser Podcast so interessant für Soziologen, Sozialpsychologen und Kommunikationswissenschaftler. Wirklichkeitskonstruktion offenbart sich hier.

Für den Psychologen wäre die Frage interessant, welche Eigenschaften des beruflichen Erfolgs verhindern den konstruktiven Blick auf diesen blinden Fleck. Einmal mehr wirkt es auf mich so, dass die Eigenschaften für den beruflichen Erfolg zugleich jene sind, die auf einem anderen sozialen Feld zur Hybris werden. Auf den ersten Blick fällt mir Unbeirrtheit auf, um den Weg nach oben zu schaffen. Da wird es mehr geben. Wenn Andreas Rüttgers seine Erfahrungen mit Gerald Kassner auf dem gemeinsamen Weg von einem Reisebüro in Hamborn hin zu einem großen Touristikunternehmen auf den MSV übertragen möchte, unterschätzt er den Anspruch von Anhängern des Fußballs an ihren Verein. Er spricht immer davon, bei den Anhängern ein Meinungsbild einholen zu wollen. Doch erreicht er in den sozialen Medien doch nur einen kleinen Ausschnitt dieser Anhängerwelt. Eines ist mir jedenfalls offensichtlich. Da brauche ich keine Gespräche, da blicke ich nur auf die Zuschauerzahlen. Den meisten Anhängern geht es um mehr als Identität und Nachhaltigkeit – all das, was in dem ominösen Konzept eine Rolle spielen soll. Am Ende geht es den meisten Zuschauern vom MSV um einen Erfolg, der zu den eigenen Vorstellung vom MSV passt.

So hätte es viel früher die Gelegenheit gegeben über diese Konzept inhaltlich zu sprechen. Denn in dem Moment, wenn der sportliche Erfolg fehlt, wird es mit jeden Konzept eng. Seit 2019 gibt es das Konzept. Wieviel früher hätte darauf gedrungen werden müssen, wenn man es für so wichtig hält. Es ist ja eine berechtigte Kritik an Ingo Wald, zu lange an Ivo Grlic festgehalten zu haben, ein Sportdirektor, der immer panischer agierte und Erfahrung – sowohl bei Spielern als auch Trainer – offensichtlich als geeignetes Mittel in der Not hielt. Die Abweichung von den uns bekannten Teilen des Konzepts braucht nicht betont zu werden. Damals wäre die Einflussnahme stimmig gewesen. Interessant ist das Ausbleiben deshalb, weil auch dort das Rollenverständnis ein möglicher Grund gewesen ist. Noch fühlte sich der Sponsor und Gläubiger Andreas Rüttgers mehr als Teil des MSV als heute. In jener Zeit gab es im Binnenklima mit Sicherheit noch die Erinnerung an die gemeinsam bewältigte große Krise der drohenden Insolvenz.

Erst mit dem Auftreten des Sportdirektors Ralf Heskamp wurde für Andreas Rüttgers seine Rolle als Sponsor und Gläubiger in den Vordergrund geholt. Die Folgen sehen wir jetzt. In dieser Rolle wird nun auch ihm selbst das Interesse des Unternehmens wieder deutlich erkennbar, formulierbar.

Eins macht der Podcast auch deutlich: Andreas Rüttgers glaubt an eigene unmissverständliche Worte. Wenn es Missverständnisse gibt, werden sie durch andere verursacht. Hört man die Stelle des Podcast – ab 10.30 ungefähr, was die Ankündigung von Schauinsland Reisen sich zurückzuziehen bedeutet, weiß man am Ende der Passage nicht mehr, ob das nun endgültig war oder nicht. Im Zusammenhang wirkt das so, als sei die Kommunkation anderer dafür verantwortlich – im Zweifel sogar der MSV, der davon aber gar nichts wusste. Andreas Rüttgers sagt: „Das ist natürlich immer eine Sache, wie man die Dinge nach außen hin kommuniziert“. Meines Wissens hat Schauinsland Reisen selbst die Ankündigung der Presse mitgeteilt. Kurios wirkt dieser Podcast-Moment, so als spreche Andreas Rüttgers über andere. Dann folgen die vielen Sätze, die mich am Ende vor die Frage stellen, wollen sie jetzt doch vielleicht was anderes? Es ist schon auffällig, wie oft Andreas Rüttgers im öffentlichen Sprechen Verwirrung stiftet entgegen seiner Absicht Klarheit zu schaffen und Transparenz. Denn auch das gilt wieder: Öffentliches Sprechen folgt anderen Regeln als halbprivatem oder privatem Sprechen. Sämtliche Regeln aber werden gar ausgehebelt, wenn man bei jeglichem Sprechen die eigene Rolle gerade nicht kennt. Denn die bestimmt man nicht alleine. Der soziale Zusammenhang bestimmt mit. Im Zweifel ist der immer stärker als das eigene Rollenverständnis.

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Abendstimmung Ruhrgebiet. Leben hinterm Kiosk. Meiderich. Nur der MSV! Es wird.

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Außerdem in dieser Woche eine der beliebtesten Rubriken im Zebrastreifenblog: Tabellenrechnerzeit zur Beruhigung für die Hardcore-Pessimisten und meine Lieblingsfrage diese Woche: Wer kennt noch Kölken?

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Trotz Ergebniskrise beim MSV in den letzten Spielen hätte ich in dieser Saison eigentlich nicht zum Tabellenrechner gegriffen. Ich denke nämlich, die Mannschaft braucht diese Form meiner Unterstützung in dieser Saison nicht. An Abstieg denke ich nicht. Langjährige Leser des Zebrastreifenblogs kennen meine gottgleichen Versuche, die Wirklichkeit von Saisonzielen herbeizurechnen. Ich darf unbescheiden sagen, nur in Ausnahmefällen schwand auf mir unerklärbare Weise meine Allmacht. Wüsste ich die Gründe, besäße der MSV in dieser Saison nach langen Jahren wieder eine Chance zum Bundesligaaufstieg.

Stattdessen Alltag in der 3. Liga, und die Pessimisten unter uns Anhängern sprechen nach den letzten Wochen über Abstiegsgefahr. Wahrscheinlich wisst ihr, ich gehöre, was den MSV betrifft, zu den Optimisten. Deshalb beunruhigt mich die Oberfläche des Geschehenes in der 3. Liga nicht. Schon die ganze Saison bin ich im Zuschauergefühl „Gesichertes Mittelfeld“ unterwegs. Ich bin damit vielleicht nicht alleine, doch wenn ich mit Freunden spreche oder im Netz rumlese, nimmt die Nervosität bei vielen doch zu. Besorgte Stimmen höre und lese ich Woche für Woche immer mehr. Abhilfe schafft in solchen Fällen nur der Tabellenrechner.

Ihr kennt das: Der Einfachheit halber prognostiziere ich nur 1:0-Siege oder torlose Unentschieden. Außerdem wähle ich die Ergebnisse des MSV so schlecht wie möglich und so gut wie nötig, um in dem Fall den Abstieg zu verhindern. Entsprechend umgekehrt mache ich es bei den Konkurrenten im unteren Tabellendrittel. Die gewinnen im Zweifel oder spielen Unentschieden, so oft es geht.

Das Nachholspiel des MSV gegen Elversberg habe ich selbstverständlich als Niederlage eingerechnet, getreu meinem ewigen Tabellenrechnergesetz „Schlimmer geht immer“. Die weitere Prognosewahrheit bringt es mit sich, dass der MSV nur noch zwei Unentschieden erzielt – gegen Bayreuth und gegen Aue – und dennoch bleibt der Abstieg fern. Denn der zweite Teil dieses ewigen Tabellenrechnergesetztes lautet, „für den MSV geht es gut aus.“ In dieser Saison vor allem eine Botschaft für die Pessimisten.









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Zurzeit beschäftige ich mich für mein neues Roman-Projekt mit dem Nachlass meines Vaters. Während seines Lebens hat er Seiten über Seiten aus Zeitungen herausgerissen und aufbewahrt. Nur wenige Seiten davon sind systematisch archiviert. Deshalb gibt es immer wieder Überraschungen für mich. Heute etwa fiel mir eine Seite der NRZ vom 11. Juni 1975 in die Hand.

Zehn Tage vor dem Pokalendspiel des MSV gegen Eintracht Frankfurt in Hannover ist die Vorberichterstattung offensichtlich längst angelaufen. Zu lesen ist bereits die vierte Folge jener Fragebogenaktion, mit der die Spieler des MSV den Leserinnen und Lesern auch im Privaten näher vorgestellt werden. Welch schöner Zufall, dass mein Wahlnamensvetter und Held der Jugend Kees Bregman einer der zwei Spieler dieses Tages ist. Aber was für ein Fehler bei seinem Nachnamen! Unfassbar.



Welch andere Zeiten damals. Welche Aufregung es über diesen immensen Bergman-Fauxpax damals gab, wissen wir ja nicht. Aber man muss sich nur kurz vorstellen, was vor einem Pokalfinale in den sozialen Netzwerken los wäre, wenn ein Spieler die Frage nach dem sportlichen Ziel vor einem Finalspiel offen ließe.

Zu dem in den Antworten deutlich werdenden Zeitgeist will ich auf die Schnelle nur was zur Musik sagen. Alles weitere überlasse ich euch. Bernd Lehmanns Adriano Celentano sagt mir mehr zu als Mud in der Rubrik Lieblingssänger(in), die ja Kees Bregman zur Frage nach der Lieblingsband machte.

Andererseits gehörte Mud damals natürlich zum Standard in den Hitparaden bis Mitte der 70er Jahre. Wer heute mit Mud sofort auch an Sweet, T. Rex und Gary Glitter denkt, hatte bestimmt auch Singles zu Hause, die einige von euch ebenso bestimmt zu früh zu billig abgegeben haben. Vinyl! Heute wieder gefragt. Neulich in Antwerpen im Schaufenster des Second-Hand-Shops für LPs von Pink Floyd über Genesis bis hin zu Thin Lizzy und David Bowie, alles LP-Standards jener Zeit, Preise ab 30 Euro aufwärts.

Und nun zu Mud mit Tiger Feet für euch Älteren, die ihr euch nicht sattsehen könnt am Glamrock, und für alle Nachgeborenen natürlich auch, damit ihr staunt, wie früher schon die Menschen gekleidet waren. Zumindest in der Popmusik. Im Alltag Duisburgs war solche Mode nur in abgemilderteren Varianten zu sehen. Auch der Spielraum für die Übernahme von der Bühnen- in die Alltagsmode hat sich verändert. Bitte schön:

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Meine Tabellenrechnertherapie gegen Abstiegsangst wirkt in diesem Jahr besonders schnell, weil die Ergebnisse gegen die beiden erstplatzierten Vereine der Tabelle am Anfang der Therapie standen. Es konnte auf jeden Fall besser werden als die beiden eingerechneten Niederlagen. Zwei Unentschieden stehen zu Buche. Schon sind es zwei Punkte mehr als in meiner Rechnung nötig.

Allerdings berichteten mir mehrere Leserinnen und Leser des Zebrastreifenblogs schon beim Spiel gegen Wiesbaden von heftigen Nebenwirkungen meiner Abstiegsangsttherapie. Das war neu für mich. Jahrelang konnte ich mich als gottesgleicher Herr der Tabellenentwicklung einem einzigen Ziel meiner Arbeit widmen. Es ging nur um das Erreichen des Saisonziels. Nun sammel ich diese Berichte von heftigen Ausbrüchen der Derbyrivalenunterlegenheitsdepression. Zwar verhindert meine Tabellenrechnung den Abstieg locker, doch am Ende steht RWE vor dem MSV. Das hat bei manchen Folgen.

Ich habe die veränderten Bedingungen in der 3. Liga nicht genug berücksichtigt. Das saisonbedingte Vorkommen von RWE verlangt nach einer Anpassung meiner Angsttherapie. Ich werde sie also weiterentwickeln und hoffe, dass die Nebenwirkungen in diesem Jahre von anderen medizinischen Abteilungen gelindert werden können. Auch die Mannschaft kann in Bayreuth mit dafür sorgen, die unangenehmen Nebenwirkungen der diesjährigen Tabellenrechner-Therapie bald völlig zu beseitigen. Nun zum Stand der Dinge.

Vor der Klammer stehen die aktuell erreichten Punkte. In der Klammer stehen prognostizierte Platzierung und Punkte am Ende der Saison. Hinter der Klammer steht jene Punktezahl, die bislang von meiner Prognose abweicht und die mit der weiteren Prognose sich dann ergebende Platzierung. Das Spiel von Zwickau gegen Essen ist ohne das DFB-Urteil noch nicht mitberechnet.

  • 11. Erzgebirge Aue 42 (13. mit 44 P) +3; 11. mit 47
  • 12. MSV Duisburg 39 (16. mit 39 P) +2; 15. mit 41
  • 13. FC Ingolstadt 38 (12. mit 44) +/- 0; 13. mit 44
  • 14. Borussia Dortmund II 37 (11. mit 45 P) -1; 12. mit 44
  • 15. Rot-Weiss Essen 36 (14. mit 42 P) +/- 0; 14. mit 42
  • 16. Hallescher FC 35 (15. mit 41 P) -1 ; 16. mit 40
  • 17. VfB Oldenburg 31 (17. mit 35 P) +/- 0; 17. mit 35
  • 18. SpVgg Bayreuth 31 (18. mit 34 P) +/– 0; 18. mit 34
  • 19. FSV Zwickau 28 (19. mit 31 P) +/-0; 19. mit 31
  • 20. SV Meppen 27 (20. mit 25 P) +3; 20. mit 28

Die Prognose für den nächsten Spieltag







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Auf Auswärtstouren erlebe ich immer wieder Überraschungen. So kann ich seit gestern ein neues Zitat aufnehmen in meiner Reihe „Schriftsteller, die Fußball lieben“.

Denn Bayreuths bester Nebendarsteller Jean Paul findet schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu abschließenden Erkenntnissen nach einer langen Fußballfunktionärskarriere. Viele Gespräche mit Fans brachten ihn zu der Überzeugung.

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Das Zitat las ich übrigens in dem empfehlenswerten Manns Bräu in der Friedrichstraße. Falls jemand länger in Franken bleibt.

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Das ging in diese Saison so schnell wie in keinem Jahr zuvor. Zwei Spieltage plus Nachholspiel und schon hat der Tabellenrechner seinen Dienst getan.


Die fußballsprichwörtliche „rechnerische Möglichkeit“ eines Abstiegs ignoriere ich guten Gewissens. Ist dieser Möglichkeit eigentlich jemals eine Verwandlung in Wirklichkeit gefolgt? Fußballhistoriker helft!

Dass der Tabellenrechner so schnell wirkte, mag daran liegen, dass mein Grundgefühl die ganze Saison über vielleicht doch mehr der Wirklichkeit entsprach als die um sich greifende Abstiegssorge. Das „Gesicherte-Mittelfeld-Gefühl“ entsprach dem Kräfteverhältnis, das beim 4:0-Sieg gegen Bayreuth zu sehen war.

Eigentlich beschäftigt mich schon seit ein paar Wochen mehr die Frage, wie aus meinem momentanen Gefühl das eines Aufstiegsanwärters werden soll. Trotz der sichtbaren Entwicklung der Mannschaft spüre ich in dieser Hinsicht noch nichts. Mal schauen, ob die Sommerpause daran was ändert. Und nun der entspannt zufriedene Blick auf die Vergleichszahlen im Wissen, dass jeder weitere Spieltagsblick nur noch ein lustiger Zeitvertreib wird.

Vor der Klammer stehen die aktuell erreichten Punkte. In der Klammer stehen prognostizierte Platzierung und Punkte am Ende der Saison. Hinter der Klammer steht jene Punktezahl, die bislang von meiner Prognose abweicht und die mit der weiteren Prognose sich dann ergebende Platzierung. Das Spiel von Zwickau gegen Essen ist ohne das DFB-Urteil noch nicht mitberechnet.

  • 11. Erzgebirge Aue 43 (13. mit 44 P) +3; 11. mit 47
  • 12. MSV Duisburg 42 (16. mit 39 P) +4; 14. mit 43
  • 13. FC Ingolstadt 41 (12. mit 44) +2; 13. mit 46
  • 14. Borussia Dortmund II 40 (11. mit 45 P) +1; 12. mit 46
  • 15. Rot-Weiss Essen 37 (14. mit 42 P) +/- 0; 15. mit 42
  • 16. Hallescher FC 35 (15. mit 41 P) -1 ; 16. mit 40
  • 17. VfB Oldenburg 32 (17. mit 35 P) +/- 0; 17. mit 35
  • 18. SpVgg Bayreuth 31 (18. mit 34 P) – 1; 18. mit 33
  • 19. SV Meppen 30 (20. mit 25 P) +6; 20. mit 31
  • 20. FSV Zwickau 28 (19. mit 31 P) +/-0; 19. mit 31

Die Prognose für den nächsten Spieltag






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Nach dem letzten Spieltag hat mich dankenswerter Weise ein Leser daran erinnert, dass die unwahrscheinlichen Dinge auf dieser Welt doch geschehen können. Karsten Bach wies auf die Bundesliga-Saison 1998/99 hin, als der 1 FC Nürnberg am letzten Spieltag mit einem Vorsprung von 3 Punkten und 5 Toren auf den Abstiegsplatz schon an die nächste Bundesligasaison dachte. Das waren zwar nicht die 99,9 Prozent, aber 89,9 Prozent ist ja auch schon was. Für Eintracht Frankfurt aber erzielte Jan Fjörtoft in der 89. Minute ein fünftes Tor, das Nürnberg den Abstieg brachte. Der Abstieg bei 99,9 Prozent Klassenerhaltsgewissheit braucht meinem Empfinden nach dennoch einen weiteren Nachweis.

Der MSV hat an jenem Spieltag übrigens den VfL Wolfsburg mit 6:1 besiegt. Zwei Tore erzielte Uwe Spies, der Lieblingsspieler für Fan-Unmut und gnadenlose Pfiffe jener Zeit, wenn es mal in der gesamten Mannschaft nicht gut lief. Drei Tore machte Markus Beierle und eines Slobodan Komljenovic. In der Abschlusstabelle belegte der MSV den 8. Platz.

Bevor ich jetzt völlig nostalgisch werde, muss ich aber nun sofort an das souveräne 3:0 vom Freitag denken. Rein rechnerisch ergibt sich dadurch eine Aufstiegswahrscheinlichkeit in der nächsten Saison von 37,74 Prozent. Einblick in die komplizierte Formel zur Errechnung gebe ich bei der Liveanpassung der Wahrscheinlichkeit am letzten Spieltag in Mannheim.

Und nun auf zur Tabellenrechner-Kür! Nie war der Tabellenrechner wirksamer als in dieser Saison. Womöglich wird mir sogar der SV Meppen am Ende auf ewig dankbar sein.

Vor der Klammer stehen die aktuell erreichten Punkte. In der Klammer stehen prognostizierte Platzierung und Punkte am Ende der Saison. Hinter der Klammer steht jene Punktezahl, die bislang von meiner Prognose abweicht und die mit der weiteren Prognose sich dann ergebende Platzierung. Das Spiel von Zwickau gegen Essen ist nach dem DFB-Urteil nun mitberechnet.

  • 11. MSV Duisburg 45 (16. mit 39 P) +6; 14. mit 45
  • 12. Erzgebirge Aue 43 (13. mit 44 P) +2; 13. mit 46
  • 13. Borussia Dortmund II 41 (11. mit 45 P) +3; 12. mit 48
  • 14. FC Ingolstadt 41 (12. mit 44) +2; 12. mit 46
  • 15. Rot-Weiss Essen 40 (14. mit 42 P) +1; 15. mit 43
  • 16. Hallescher FC 38 (15. mit 41 P) -1 ; 16. mit 40
  • 17. SV Meppen 33 (20. mit 25 P) +8; 18. mit 33
  • 18. VfB Oldenburg 32 (17. mit 35 P) +/- 0; 17. mit 35
  • 19. FSV Zwickau 31 (19. mit 31 P) +2; 19. mit 33
  • 20. SpVgg Bayreuth 31 (18. mit 34 P) – 1; 20. mit 33

Die Prognose für den nächsten Spieltag





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Welch merkwürdiges Interview hat DIE ZEIT am letzten Donnerstag veröffentlicht. Über eine ganze Seite lässt sich Max Kruse in Gespräch mit Jörg Kramer darüber aus, dass er eigentlich weiterspielen will und kein Verein der Bundesliga ihn verpflichtet. Das Ganze hinter der Paywall. Im Untertitel heißt es tatsächlich „Ein Bewerbungsgespräch“. Was wahrscheinlich ironisch sein soll, aber letztlich nichts als die Wirklichkeit spiegelt. Was für ein nichtssagendes Gespräch, das Max Kruses Botschaft „ich bin ein motivierter Guter, dessen Herz am Fußball hängt und der zudem seinen Spaß auch in der Freizeit sucht“ in immer wieder neuen Sätzen variierte. Beispiel gefällig? Vielleicht seine abschließenden Worte:


Was hätte sein können, damit beschäftige ich mich nicht. Wenn ich irgendwann mal zurückschaue, werde ich vielleicht sagen: manches lief unglücklich. Aber ob ich es wirklich anders machen würde? Ich bin ganz zufrieden mit meiner Karriere. Ich kann mir nichts vorwerfen. Nur das Ende muss noch anders geschrieben werden.

DIE ZEIT, Nr. 20, S. 28​

Ich vermute, die Zielgruppen von ZEIT und Max Kruses Anliegen bilden keine große Schnittmenge. Deshalb frage ich mich, wie es zum Abdruck eines solchen Interviews in klassischer Fußballerbelanglosigkeit hat kommen können. Das ist für mich die wirkliche Geschichte bei diesem Gespräch. Wer hat da wen instrumentalisiert? Sicher, DIE ZEIT hat sich in den letzten Jahren immer mehr auch einem Blick für die bunten Geschichten dieser Welt zugewendet, aber ein Interview, das in derselben Weise, nur kürzer auch im Kicker hätte stehen können, erstaunt mich dann doch. Und wenn ich recht überlege, hätte es auch im Reviersport stehen können.

Passend zum Niveau des Interviews leite ich mit einem Kalauer über zu etwas völlig anderem. Meint er wirklich Oberhaus? Träumt er nicht von Oberhausen? In Oberhausen (Rheinland) spielt die Musik morgen. Vatertagstouren führen ins Zentrum Altenberg. Dort findet das jährliche Buchgestöber statt. Antiqarische und in meinem Fall auch neue Bücher gibt es en masse. Meine Bücher auch deshalb, weil ich um 14 Uhr Ausschnitte aus meinem Historienprogramm zum Ruhrgebiet präsentiere. „Der Himmel über der Ruhr ist blau“ heißt das Ganze. Fußballgeschichte gehört natürlich auch dazu.

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Kommt zuhauf. Bollerwagen eignen sich hervorragend auch zum Büchertransport, sobald das Trinkgut im Mann transport wird.

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