Kennt ihr das? Wenn ihr lange kein Sport gemacht habt, langsam anfangt zu joggen, merkt, dass es doch ganz gut geht, immer schneller werdet, euch gut fühlt, Selbstvertrauen bekommt und dann denkt, jetzt gehe ich mal ans Limit, alles reinhaut und dann plötzlich doch ins Stolpern kommt, weil der Körper die Ideen des Gehirns koordinativ nicht so umsetzen kann, wie es in der Vergangenheit ging?
So ungefähr würde ich unsere taktische Entwicklung beschreiben. Wir sind bei unserer rasanten Aufstieg zum ersten Mal etwas ins Stolpern gekommen. Es ist für mich wirklich überraschend wie schnell Ziegner aus dem reaktiven Maueransatz in Osnabrück, einem spielerisch von vielen langen Bällen geprägten Gebolze in Zwickau, einem Umschalt- und Konterfokus gegen Freiburg und einem Spiel in Meppen, wo von allem ein bisschen drin war, auf einmal an dem Punkt angelangt ist, wo er ein Spiel zu großen Teilen aus dem eigenen Ballbesitz dominieren will. Das lag natürlich auch an Oldenburg, die in Duisburg als Underdog aufgeschlagen sind und nicht so viel fürs Spiel gemacht haben wie die Gegner in den Wochen zuvor (trotzdem großen Respekt an die Gäste, die ein starkes Spiel abgeliefert und sich sehr gut auf uns eingestellt haben).
Tief und kompakt stehen, schnell umschalten, lang schlagen und auf die zweiten Bälle gehen...all diese Aspekte gab es gestern nur noch vereinzelt. Sehr viel wurde über Flachpass versucht zu lösen. Natürlich immer noch mit dem Ziegner-typischen Vertikal- und Flügelfokus und einer grundsätzlich ziemlich direkten Spielauffassung. Trotzdem gab es auch immer mal wieder geduldigere Momente, wo abgebrochen und verlagert wurde. Im Vergleich zu den ersten Saisonspielen wurden - wie auch schon in Meppen - immer öfter die Halbräume gesucht und gefunden. Auch der große Impact von Jander (eigentlich der einzige barcelonaesque Spieler in der Startelf (kein Wunder, dass die mal angefragt haben)) zeigt den schnellen Wandel unserer Spielanlage. So bitter seine Verletzung ist, so wichtig ist es, dass wir letzte Woche einen ähnlichen Spielertyp verpflichtet haben.
Nichtsdestotrotz hat man halt gemerkt, dass ein ballbesitzlastiger Spielansatz die Königsdisziplin unter den Spielideen ist. Sowas geht nicht von heute auf morgen. Das kann man auch nicht mit jedem Spieler machen und es macht natürlich tendenziell anfälliger für Konter und Fehler. Mir war das gestern eine Spur zu hektisch und unruhig. Es fehlte die letzte Geschmeidigkeit und Präzision. So kam es wieder zu vielen fifty-fifty-Kampfszenen, in denen wir uns zwar auch aufgrund unserer Spielertypen meist gut behaupten konnten, aber auch immer mal wieder mit Situationen konfrontiert wurden, wo wir plötzlich ziemlich offen waren.
Und - wenn wir ehrlich sind - sah das in solchen Momenten dann doch ähnlich wie letztes Saison aus. Mai und Senger sind im Infight und mit einem kompakten Mannschaftsverbund drumherum absolute Maschinen. Aber wenn sie in einem aufgefächerten und ungeordneten Zustand "erwischt" werden oder die Vorwärtsverteidigung nicht greift, haben sie tendenziell die gleichen Probleme die großen Räume zu verteidigen wie eigentlich jeder andere Drittligaverteidiger.
Und genau das meine ich mit "ins Stolpern gekommen". Wir wollten gestern fast eine Spur zu viel. Zu viel spielerisch per Flachpass. Zu viel hoch stehen und per Vorwärtsverteidigen löschen. Wir sind im Ballbesitz an unsere Grenzen gestoßen (leider haben wir uns auch zu oft am Flügel festgespielt) und waren dann auch hinten zeitweise relativ unsortiert. Eigentlich haben wir etwas zu viel zugelassen, auch wenn ich uns im Chancenverhältnis leicht vorne gesehen habe und wir mehr Druck aufs Tor bekommen haben als in den ersten drei, vier Spielen. Ein Sieg wäre möglich gewesen, aber das Unentschieden ist schon ok und ausgleichende Gerechtigkeit für den glücklichen Sieg in Zwickau.
Das unser ehemaliger IV heute am Mikro bei Magenta von 3-4 Toren spricht, die Oldenburg hätte machen können, na ja , jedem seine Meinung.
Er kennt den Vibe halt aus dem letzten Jahr. Die Aussage hat eigentlich den gleichen Ursprung bzw. Kern wie "letztes Saison hätten wir so ein Spiel verloren" oder "letzte Saison hätten wir so ein Tor bekommen" (in Bezug auf das Müller-Torwarttor). Steuerer weiß halt nicht, dass mittlerweile ein andere Wind beim MSV wehr. Kulisse und Unterstützung gestern Abend auch wirklich klasse.
P.S. Aufbruchstimmung erzeugt man am besten durch Leistung auf dem Platz und nicht nur durch Transfers
