Aus dem Heskamp-Thread:
Doch doch — den Saisonstart muss man schon für sich sehen find ich.
So sehe ich das auch. Auch die ständigen Verweise auf den Punkteschnitt stehen für mich auf wackeligen Füßen. Wenn wir beispielsweise mit zehn Punkten in die neue Saison gestartet wären, würde niemand über den Trainer diskutieren obwohl sein Punkteschnitt nicht viel besser aussehen würde.
Auch die Situation mit den Offensiven und den Verletzungen — laut Portal Taktikern gab es ja auch eine taktische Entwicklung in der letzten Rückrunde (auch wenn das aktuell stockt bzw. man nochmal etwas geändert hat) und auch aktuell sind gewisse Werte nicht so schlecht wie der Tabellenplatz.
Ich vermute, dass du damit mich meinst. Aber ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich diese - natürlich subjektiv geprägte - Wahrnehmung
mit Fakten untermauert habe. Es gab defintiv eine Entwicklung in der Spielidee.
Ich habe mich auch mit den Daten der ersten fünf Saisonspiele beschäftigt und würde sie auf ähnlicher Weise gerne in Bezug zu unserer taktischen Ausrichtung bringen wie im obigen Beitrag. Leider fehlt mit dafür gerade etwas die Zeit.
Trotzdem vielleicht ein paar interessante Häppchen:
xG nach Spielphasen:
0-15. Minute: 1,74 - 1,27
16.-30. Minute: 0,77 - 1,56
31.-45. Minute: 0,90 - 2,52
46.-60. Minute: 0,64 - 2,09
61.-75. Minute: 0,81 - 1,14
76.-90. Minute: 1,18 - 1,74
Die guten Werte in den ersten Minute und die nicht dramatisch schlechten Werte in den letzten 15 Minuten sprechen auf jeden Fall für den Matchplan und gegen das Fitness-Argument. Auch mit den viel kritisierten Wechseln dürfte Ziegner nicht so verkehrt liegen, sonst würden wir hinten raus stärker abbauen. Aber wieso zur Hölle sind wir vor und nach der Halbzeit so schlecht?
Auffällig zudem der PPDA-Wert, also der Pressingdruck. Dort sind wir Dritter in der Liga. Nur Verl und Dresden pressen intensiver. Ist das gut? Eigentlich schon, aber wir hatten den mit Abstand schlechtesten PPDA gegen Freiburg, wo wir das beste Spiel gemacht haben und den mit Abstand höchsten xG hatten. Auch beim Zweikampfführen (offensiv, defensiv, freier Ball, Kopfball) sind wir sowohl defensiv als auch offensiv im oberen Tabellendrittel (6., 4., 4., 8.). Die Mannschaft nimmt die Zweikämpfe also an (und will) und lässt die Gegner relativ wenig spielen. Auch bei den Ballgewinnen liegen wir auf Platz 4, aber welchen Nutzen ziehen wir daraus?
Die Wahrheit ist: Wir haben den Ball dann schneller, aber können mit ihm leider wenig anfangen. Unsere Passstatistiken sind wieder ins untere Mittelfeld abgesackt. Wir spielen im Vergleich zur Raute in der letztjähigen Hinrunde wieder vertikaler mit mehr langen Bällen, vielen Flanken (2.), dafür weniger quer und hintenrum, aber liegen in den Ballverluststatistiken ziemlich weit oben, gerade im letzten Drittel (20.). Der Spielansatz scheint wieder (wie in der letzten Hinrunde) hektisch, unruhig und wenig geduldig zu sein.
Dazu passend: Unsere Abschlüsse haben eine vergleichsweise kleine mittlere Schussdistanz, aber trotzdem einen unterdurchschnittlichen xG. Normal ist es umgekehrt: Umso weiter man die Abschlüsse nimmt, desto kleiner ist der xG. Das zeigt, dass die Situationen, in denen wir abschließen zwar nah vor dem Tor, aber auch meist unter ungünstigen Voraussetzungen stattfinden (schlechte Winkel, viele Gegenspieler). Auch das hängt mit der offensiven Spielanlage zusammen. Es wird viel auf Zufall und Brechstange (Bock umstoßen) gesetzt, weniger auf Abläufe und strategisch ausgespielte Situationen.
Zudem noch interessant: Wir lassen - trotz der eigentlich intensiven Arbeit gegen den Ball - die meisten Abschlüsse der Gegner zu. Das kommt zum einen durch das intensive (und schlimmstenfalls raumöffnende) Pressing, zum anderen durch die Kompaktheitsprobleme (die damit natürlich indirekt zusammenhängen). Umgekehrt sind wir dann beim Blocken der Schüsse wieder top, gerade Senger spielte da in einer eigenen Liga (2,02, der zweitbeste der ganzen Liga hat 1,31).
Mein Fazit: Für mich passt die Idee gegen den Ball nicht zur Idee mit Ball. Und die Ideen helfen uns beide nicht in den Strafräumen vor den Toren (wo die Spiele entschieden werden).
Die Mannschaft will, arbeitet gut gegen Gegner und Ball, steht dadurch aber auch teilweise unkompakt, lässt trotzdem viele Schüsse zu. Aber wenn die Mannschaft den Ball hat, fehlen Ballsicherheit, Abläufe und Lösungen.
Der Widerspruch für mich: Wenn ich nicht so gut spielen kann (oder möchte) verlege ich mich aufs Verteidigen, Kontern und Umschalten. Und wenn ich das nicht möchte, dann muss ich einfach besser spielen (oder wieder auf die Raute gehen).
Somit verbinden wir im Moment zwei Ideen, die nicht so wirklich zusammenpassen oder sich zumindest nicht ergänzen. Ich kapiere es einfach nicht.
Vielleicht noch etwas positives für die Trainerdiskussion: Wenn die Mannschaft dem Trainer nicht mehr folgt (bzw. an ihn glaubt) und wir bei den Werten gegen den Ball einbrechen, werden wir mit unserem derzeitigen Spielansatz sofort deftige Klatschen bekommen. Wir können diesen Zeitpunkt (Trainer hat die Mannschaft verloren, wir brauchen einen neuen Impuls) sehr schnell an den Ergebnissen sehen.